Überzeugende Charakterstudie eines Machtmenschen

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violetta1961 Avatar

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Das Buch teilt sich in drei Teile auf.
Im ersten Teil lernen wir im Jahr 1988 den Charakter des charismatisch-machtbesessenen Geschäftsmannes Ralph Krass in Neapel kennen.
Er zieht einen Kreis von Menschen in seinen Bann, denen er großzügig ein Dolce Vita bietet, die sich jedoch seinen Regeln unterwerfen müssen.
So auch sein unsicherer Assistent Dr. Jüngel. Eine weitere wichtige Figur ist Lidewine Schoonemaker, die aufgrund ihres autonomen Charakters ebenso schnell aus dem Kreis entlassen wird, wie sie in ihn hereingezogen wurde. Nach einem Eklat im dubiosen geschäftlichen Bereich, löst sich der illustre Kreis auf.
Im Teil zwei erfahren wir vom Schicksal Dr. Jüngels einige Monate später: Verlassen und mittellos versucht er, in einem kleinen Ferienhaus eines Freundes Abstand zu gewinnen. Dieser Teil gehört für mich zu dem besten Abschnitt des Buches. Er ist schnörkellos und nachdenklich geschrieben,
aber sehr interessant. Die Geschichte um den alten Schuster ist meisterhaft.
Teil drei spielt 20 Jahre später, 2008 in Kairo. Der gealterte Krass ist dort gestrandet, ein Geschäft hat nicht geklappt, er ist plötzlich mittellos, lernt den jungen Anwalt Mohammed kennen, der sich um ihn kümmert, auch als er krank wird. Dass auch Dr. Jüngel und Lidewine Schoonemaker just in diesem Moment in Kairo zu tun haben, sich sogar im selben Hotel und auch noch den Anwalt kennenlernen, der sie zu Krass bringt, sind für meinen Geschmack einfach zu viele Zufälle. Und auch der Niedergang des Machtmenschen Krass, der sich bedingungslos in die Hände des Anwalts begibt, ist mir zu schnell konstruiert.
Insgesamt aber ist der Roman ungewöhnlich und eine tolle zeitlose Charakterstudie von Machtmenschen, wie wir sie aus Politik und Wirtschaft kennen. Martin Mosebach überzeugt durch seine ironische Sprache und seine grotesk-amüsanten Beschreibungen von gesellschaftlichen Konstellationen.