Frauenfreundschaft unter schwierigen Bedingungen

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Den Einband ziert ein seitenverkehrtes Bild von Eugène Delacroix „Jeune orpheline au cimitière“, das auf mich sehr aufmerksamkeitsstark wirkte, auch wenn es mit unserem Thema nicht unbedingt etwas zu tun hat. Aber vielleicht kann man sich die Frauen dieser Zeit in etwa so vorstellen.

Das Buch handelt von Frauen, die aus der großen Heil- und Pflegeanstalt La Salpetrière ausgewählt werden, um nach Louisiana, der französischen Kolonie in Nordamerika verschifft zu werden, dort zu heiraten und den Fortbestand der französischen Kolonie zu sichern. Wir begleiten sie in ihren letzten Tagen in Paris, bei ihrer Einschiffung auf der „Baleine“, dem Schiff, das sie über die Loire ans Meer und dann über den Ozean bringen soll. Wir sind dabei, als sie in der Karibik von Piraten überfallen werden, und wir werden Zeuge ihrer Ankunft in Biloxi, dem Hafen in Louisiana, von dem es dann nach Nouvelle Orléans oder nach Norden weitergeht. Ich war erstaunt, wie weit sich die französische Kolonie damals erstreckte und hatte mir auch wenig Gedanken über die noch dort lebenden Ureinwohner gemacht, von denen wir im Buch die Natchez und Illinois ein wenig kennenlernen dürfen. Das Buch ist gut recherchiert, laut Julie Malye haben die Recherchen 10 Jahre Zeit in Anspruch genommen, darüber hinaus Reisen in die Region und unzählige Gespräche und E-Mails mit Fachleuten.

Vier dieser Frauen freunden sich auf der langen Überfahrt über den Atlantik an und versuchen auch nach der Ankunft, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Lediglich von Étienette ist später nicht mehr die Rede, es scheint sie weiter in den Norden verschlagen zu haben.

Für die Ausreise auserwählt zu werden ist die erste Hürde zu einem etwas freieren Leben und mehr Selbstbestimmung. Dennoch hat diese Selbstbestimmung ganz enge Grenzen und ist meistens an einen Ehemann gebunden. Am Beispiel von Geneviève erfahren wir, dass diese Frauen vollkommen abhängig waren und dann auch falsche Entscheidungen mit einer neuen Ehe trafen, um ihre Kinder zu retten und mitnehmen zu können. Und trotzdem wendete sich dann doch so manches zum Guten. Vor allem als Witwe hatte man, wenn man etwas geerbt hatte, gute Chancen, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Die Kapitel sind jeweils aus der Sicht einer der Frauen geschrieben. Damit können wir ihren Werdegang verfolgen und erleben auch die Interaktionen mit den Freundinnen mal von einer, mal von der anderen Seite. Wir erleben aber auch ihre Offenheit den Frauen anderer Rassen gegenüber. Petronille verdankt später einer Frau aus dem Stamm der Natchez ihr Leben und Geneviève behandelt ihre schwarzen Angestellten mit Würde. Man würde sich wünschen, dass auch die Männer und vor allem die Regierenden im weit entfernten Frankreich ähnlich offen gewesen seien.

Ich fand es nicht immer einfach, den Schicksalen der Frauen zu folgen, hin und wieder waren die Übergänge recht sprunghaft und durch die hohe Sterblichkeit der Männer hatten wir es auch immer wieder mit neuen Ehen, neuen Orten und neuen Entwicklungen zu tun. Aber trotz aller Schicksalsschläge hat die Freundschaft der Frauen, die auf der „Baleine“ begann, die Zeit überdauert und ihnen allen Rückhalt gegeben. Sie war auf jeden Fall wichtiger, als die aus Vernunft geschlossenen Ehen.