Wahre Begebenheiten.
»Zum ersten Mal seit drei Monaten können sie wieder den Sand erkennen, der während der Fahrt über den Atlantik vom Wasser verborgen war, den Grund des Ozeans den sie zuletzt flüchtig an dem Morgen sahen, als sie an Bord der Baleine gingen. Niemand hat ihnen mitgeteilt, wo sie am Abend übernachten, wann sie verlobt sein würden. Man sagt Frauen nicht alles« (S. 13).
Frauen die 1720 nicht ins Gesellschaftsbild passen, werden in die Salpêtriére gesteckt, eine psychiatrische Anstalt in Paris, Frankreich. Dabei spielt es keine Rolle welcher Gesellschaftsschicht die Frauen angehören. Dieses Schicksal ereilt auch die drei Frauen, die die Leser:innenschaft in dem Roman »La Louisiane« begleiten: das zwölfjährige Waisenkind Charlotte, Pétronille, eine enterbte Adelige und Geneviéve, ihres Zeichens Engelmacherin, die Frauen liebt. Doch ihr Aufenthalt in der Anstalt ist begrenzt, da sie zu den ungefähr 90 Frauen gehören, die nach Louisiane verschifft werden, um dort mit ihren Körpern den Fortbestand der französischen Kolonie zu sichern. Aus den Giftmischerinnen, Unkeuschen, Rebellinnen oder Hexen sollen nun also zukünftige Mütter werden, die als fruchtbar, fähig und unauffällig gelten.
»Bis dahin hatte sie [Geneviéve] nicht wirklich begriffen was die Reise nach Louisiane bedeutet. Sie denkt, dass hinter solchen Wassermassen nichts mehr von Bedeutung sein wird. Sie wird wieder frei sein können. Und im Augenblick, kurz bevor sie an dem bretonischen Hafen an Land geht, scheint es unmöglich, dass irgendjemand ihr das nehmen könnte« (S. 77/78).
Die Autorin Julia Malye lies sich von einer wahren Begebenheit zu dem Roman inspirieren und recherchierte zehn Jahre für »La Louisiane«, ihren Roman schieb sie auf zwei Sprachen – Englisch und Französisch.
Ich lese selten historische Romane, doch der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Die drei Frauen sind durch ihr Schicksal miteinander verbunden. Ihre Leben sind bereits durch den Aufenthalt in der Anstalt Salpêtriére miteinander verwoben, durch die Reise und während der Zeit in der Kolonie wird ihre Freundschaft tiefer und inniger. Sie müssen gegen Widerstände, Kummer und Trauer ankommen. Dies gelingt ihnen durch die gegenseitige Unterstützung und ihre Kompromissbereitschaft.
Leider konnte mich der Roman nicht in Gänze überzeugen. Die Geschichte und das Eintauchen in ein sehr gut recherchiertes historisches Setting hat mir sehr gefallen, allerdings konnte mich die Umsetzung nicht abholen. Erzählt wird der Roman aus Sicht einer allwissenden Erzählstimme, die nicht chronologisch erzählt. Innerhalb der langen Kapitel fehlt mir der rote Faden und der Erzählstil ist kompliziert. Oft ist erst nach ein paar Absätzen klar, wo sich die Erzählende befindet. Das hat meinen Lesefluss enorm gestört und mich zunehmen frustriert. Insgesamt wirken die Sequenzen nicht richtig auserzählt, die Autorin verschenkt dadurch stellenweise Potential. Abbrechen war für mich allerdings keine Option und ich bin froh, bis zum Ende gelesen zu haben. Dieser Roman ist trotz einiger Längen eine sehr tolle Hommage an all jene Frauen, die 1720 an Bord der ›La Baleine‹ gegangen sind.
Wer Lust auf einen feministischen Roman mit historischem Setting und wahrem Kern hat, ist mit »La Louisiane« gut bedient. Aufmerksames Lesen ist allerdings eine ganz klare Voraussetzung für ein gelingendes Leseerlebnis.