Der Grat zwischen Ego und Witz

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skaramel Avatar

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Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal besucht. Die Worte Vice-Redakteur lösen in mir auch mehr Skepsis als Neugier aus, aber manchmal muss man tun, was man tun muss – und dann liest man das Ebook, obwohl die Leseprobe einen die Stirn hat runzeln lassen.
Denn um was geht es? Um Lügen. Um kleine Lügen oder auch Große – das alles gepaart mit einer Sammlung kleiner Anekdoten aus seinem Leben. Vorne weg: Die Leseprobe war wirklich nicht meins. Großkotzig und unsympathisch kam mir Buchinger vor, gerade nach der Geschichte als er seinen Ausweis vergessen hatte und trotzdem in ein Flugzeug gelassen werden wollte.
Aber die Mühe und auch meine Neugier haben sich doch belohnt – denn, was noch mau anfing, wird wirklich amüsant. Vielleicht war es einfach die falsche Auswahl an Geschichten oder Startschwierigkeiten oder Buchinger altes Problem á la „Zeig doch mal dein wahres Gesicht“.
Und nun? Den Hype verstehe ich immer noch nicht, schallend lachend saß ich bisher auch nicht auf der Couch, aber ich wurde die meiste Zeit des Lesens unterhalten. Gerade die kleinen Anekdoten in der Mitte des Buches, rund um sein Coming-Out oder über Blinddates, waren wirklich sympathisch, humorvoll und mit der gewissen Prise Etwas. An sich liest es sich recht zügig, da die einzelnen Abschnitte angenehm kurz sind und man schnell mal pausieren kann.
Trotzdem ist der Grat zwischen Humor und Ego an manchen Stellen sehr schmal und so war es eben kein Witz, sondern einfach nur Show und Egogehabe. Dahingehend leider nicht so rund wie ich mir gerade leichte, humorvolle Lektüre vorstelle.
Außerdem… Vielleicht ist es die Thematik. Aber ich hab es einfach nicht so mit Lügen und Lügnern. Buchinger präsentiert sich als schillernde Mediengestalt, die es halt „mal nicht so genau nimmt mit der Wahrheit“. Aber eben diesen Anspruch habe ich an mich und auch an die Menschen mit denen ich mich umgebe. Notlügen seien mal außen vor, wir alle sind nicht rund um die Uhr ehrlich. Aber mir bleibt der Lacher doch im Halse stecken, wenn er erzählt wie er jahrelang Geschichten um seine Wohnung oder Beziehungen konstruiert hat. Finden die BuchingerFans vielleicht witzig, ehrlich und sympathisch – ich eher fragwürdig.
Daher eine kurzweilige, streckenweise witzige Unterhaltung, die mir aber keinen Anlass gibt, auch noch das andere Buch in Windeseile zu kaufen. Wer leicht unterhalten werden möchte, aber auch kein Problem mit der Selbstdarstellung des Autors hat, wird hier auf seine Kosten kommen.