Dieser Stream of Consciousness hat es in sich.

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seekraulen Avatar

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Wir tauchen in die Welt einer Frau ein, die ihr Leben nach einem schweren Verlust weiterführt. Sie beginnt zu Joggen. Das bringt eine feste Abfolge von Schritten und Atemzügen mit sich. Und es ist anstrengend. Die Frau will genau diese Anstrengung nutzen. Doch statt ihre Gedanken durch die Konzentration auf den Körper zu betäuben, verarbeitet sie auf ihren Joggingrunden wiederkehrende Fragen und reflektiert und beobachtet.

Über die bekannte Qual des Joggens baut der Roman direkt eine erste und solide Beziehung zwischen der Frau und mir auf. Es passiert etwas, das gute Geschichten ausmacht: Ich erkenne mich in der Protagonistin wieder. Sie wird auf den ersten Seiten ein Teil von mir. Sie kann ihre Gedanken keineswegs durch das Joggen betäuben; vielmehr regt das Laufen ihre Reflexion an. Und diese Prozesse nebeneinander zu sehen - verweifelte Zustände und die eigene Kraft, diese Zustände zu untersuchen - lässt den Gedankenstrom produktiv werden.

Ich werde auf jeden Fall weinen, denke ich, als ab Seite 17 die angedeuteten Gründe für das Kopf frei Kriegen mehr und mehr konkret werden. Mir gefällt auch der Stil: In nüchternem Ton lese ich die repetitiven Gedanken der Frau. Auch hier liegt ein Schlüssel meiner Identifikation mit der Protagonistin: Es ist so nachvollziehbar, immer und immer das gleiche zu denken, für das man keine Antwort hat. Wer sich in den Schmerz, aber auch die Lichtblicke eines Trauerprozesses hineinwagen möchte dem*der kann ich dieses Buch auf jeden Fall wärmstes empfehlen!

Textstelle: [...] aber dieseTraurigkeit ist eher wie seekrank sein, man kotzt und kotzt und möchte überhaupt nichts mehr, als dass es aufhört, der Rest der Welt ist ausgeblendet, es soll nur aufhören, wenigstens nur kurz, nur Luft holen und nach einer Weile geht es weiter [...] (S. 16 f.)