Ein grandioser Roman über Trauerbewältigung

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In Isabel Bogdans Roman „Laufen“ begleiten wir eine unbenannte Protagonistin aus Hamburg, die nach dem Suizid ihres langjährigen Lebenspartners zurückbleibt und mit dem Verlust umgehen muss. Ermutigt von ihrer besten Freundin und ihrer Therapeutin beginnt sie nach jahrelanger Trainingspause wieder mit dem Laufen und vertraut uns ihre Gedankengänge an.

Die knapp 200 Seiten des Romans sind in einer sehr speziellen Form geschrieben, denn die Kapitel bestehen ausschließlich aus Gedankenströmen der Protagonistin, die bis zum Schluss namenlos bleibt und aus der Ich-Perspektive erzählt. Viele Sätze sind scheinbar wahllos per Komma verbunden und enthalten etliche Gedankensprünge. Dieser Stil hat mir persönlich sehr gut gefallen, denn ich habe ihn als sehr intim und authentisch wahrgenommen.

Ebenfalls grandios fand ich die Entwicklung des Schreibstils über den Roman hinweg. Während die Protagonistin in den ersten Kapiteln eher in kurzen abgehakten Sätzen denkt, die sich so lesen wie die hektischen und unkoordinierten Schritte und Atemzüge zu Beginn des Lauftrainings, entwickelt sich im Verlauf des Buches und ihres Trainings eine gewisse Ruhe und Ordnung.

Keine Überraschung waren die behandelten Themen Trauer und Verlust. Die Protagonistin vermisst die kleinen Dinge, wie z.B. die volle statt halbvolle Waschmaschine, und ihre Gedanken kreisen ständig um ihren Partner, seine Eltern, seinen Job, seine Gegenstände. Ich habe sie sehr gerne dabei begleitet, wie sie Stück für Stück ins Leben zurückgefunden hat und allmählich auch wieder ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen wahrnimmt und als wichtig anerkennt. Ebenfalls spannend fand ich die Beleuchtung von Depressionen aus der Perspektive einer Angehörigen. Depressionen werden im Roman nicht verharmlost, sondern als die schwere Erkrankung beschrieben, die sie auch wirklich sind. Zusätzlich dazu thematisiert Isabel Bogdan auch die Schuldgefühle der Protagonistin und die Anstrengungen im Zusammenleben mit einer depressiven Person.

Insgesamt hat mir „Laufen“ extrem gut gefallen. Ich gehe selbst sehr gerne laufen und habe das Gefühl während des Trainings zur Ruhe zu kommen in diesem Roman definitiv wiederfinden können. Auch die Entwicklung der Protagonistin und die Widerspieglung durch den Stil haben mich überzeugen können.