Einatmen ausatmen

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annbee Avatar

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Was für ein Buch. 200 Seiten innerer Monolog einer „mittelalten, mittelfitten, mittelgutaussehenden Frau“, in dem sich, wie das halt so ist, manches im Kreis dreht oder doch zumindest wiederholt, Abseitiges und Nebenseitiges gedacht wird, usw. Das klingt erstmal, als wäre es anstrengend, ist aber ein sehr besonderes Leseerlebnis.
Die Protagonistin hat einen schweren Verlust erlitten; ihr depressiver Partner hat sich umgebracht. In ihrer Verzweiflung beginnt sie zu laufen, wegzulaufen, und wir haben an ihren Gedanken teil, ihrer Schuld, Wut und Einsamkeit, ihrem Humor, ihrer Widerstandskraft. Langsam arbeitet sie sich aus der Trauer heraus, ein Prozess, der aber nie einfach gerade aus verläuft, sondern der eher eine Art „Aufwärtsspirale“ ist. Durch das Laufen wird die Körperlichkeit des Trauerns und des Abschiednehmens deutlich, die Protagonistin erläuft sich einen neuen Lebensweg.
Die Autorin hat eine hier eine ganz eigene Erzählstimme gefunden. Gerade dadurch, dass sie auch das Triviale nicht scheut (in keinem anderen Buch wird es beispielsweise so oft den Satz „ich kann nicht mehr“ geben), wird der Roman umso lebensnäher. Das Buch hat mich sehr berührt, ich habe geweint und gelacht, dabei ist es nie sentimental; vielmehr zeigt es, das Trauer und Verlust ein Teil des Lebens sind, der viel zu oft ignoriert wird; und das Trauern kein Zustand, sondern ein Prozess ist.