Gedankenstrom

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zebra Avatar

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Wer Isabel Bogdans „Pfau“ gelesen und gemocht hat und nun etwas Ähnliches erwartet, wird mit „Laufen“ nicht glücklich werden, denn das Buch ist ein ziemliches Kontrastprogramm.
Für die Protagonistin, eine Ich-Erzählerin, ist Laufen der Versuch einer Therapie, um über einen Verlust hinwegzukommen, nachdem sie lange nicht mehr gelaufen war. Sie will maschinengleich laufen, macht sich Gedanken, wie weit es noch geht, wie es früher war. Das Laufen soll sie vom Denken ablenken – das gelingt bedingt gut, denn sie denkt zwar wohl weniger über ihre Situation nach, doch das Gedankenkarrussel lässt sich nicht stoppen. In kleinen Schritten ermutigt sie sich bis zum nächsten kleinen Ziel, ihr schießen Gedanken bzw. auch nur Bruchstücke in den Kopf, sie schildert Personen und Begebenheiten, die ihr beim Laufen begegnen. Dabei erfährt man nebenbei so einiges: Sie ist Orchestermusikerin, spielt Bratsche, ist in eine kleinere Wohnung gezogen. Und so schält sich mitten in ihrem Gedankenstrom ihre Geschichte heraus – und die ist haarsträubend und sei hier nicht weiter ausgeführt.
Der Strom von Gedanken im Kopf der Protagonistin wird durch die Sprache klar bzw. unterstützt: Mal sind es kurze Sätze, dann aber auch sehr lange Sätze und so kommt die „Gehetztheit“ zum Ausdruck, die im Laufe der Geschichte in einen ruhigeren Takt übergeht. Das macht es nicht ganz leicht, das Buch zu lesen oder gar zu genießen, denn man muss aufpassen, dass man die eigentliche Geschichte nicht verpasst. Deshalb fällt es mir auch schwer, zu einer Wertung zu kommen, denn einerseits fand ich die Geschichte sprachlich brillant und mutig, so lange Sätze aneinanderzureihen und auch der Plot ist interessant. Andererseits wurde ich aber einfach nicht warm mit der Figur, der Geschichte und dem Buch. Hallt es nach? Vermutlich nicht, dazu lief die Geschichte zu nebenbei ab. Dennoch will ich die sprachliche Leistung und den Mut Isabel Bogdans honorieren. Wenn möglich käme ich auf 3,5 – so bleiben es 3, denn lesenswert ist das Buch, es muss wohl nur auf „fruchtbareren Boden“ fallen, als es jetzt gerade bei mir der Fall ist.