Ungewöhnlich und stark

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januar12 Avatar

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Wieder einmal hat mich Isabel Bogdan überrascht, gefesselt und beeindruckt. Ihr neuer Roman "Laufen" ist alledings ganz anders als "Der Pfau", bei dem mich vor allem der schwarze Humor gefesselt hattte.

Dies ist ein Buch, in dem über 200 Seiten ein innerer Monolog der Protagonistin, deren Namen man nie erfährt, statt findet. Atemlose Bandwurmsätze, bei denen der Leser ihren Kampf zurück ins Leben miterleben kann, nachdem ihr Lebensgefährte gestorben ist. Klingt langweilig? Nein, auf keinen Fall!

Man erfährt als Leser von Selbstvorwürfen, vor allem aber von ihrer Trauer, ihrer Starre, ihrem Gedankenkarussel um die Zukunft und die Vergangenheit, über ihre Beziehung, ihr Leben und vor allem dem tiefen Loch, in das sie gefallen war. Ein Jahr danach fängt sie mit dem Laufen an und mit jedem Schritt kämpft sie sich in ein Leben zurück. Am Anfang fallen ihr die Schritte schwer, jeder Schritt, genauso wie jede Erinnerung. Aber mit jedem Schritt fängt sie an sich zurück ins Leben zu kämpfen, ihre Trauer zu bekämpfen,, auch ihre Schuldgefühle loszulassen.

Diese Zeit dauert ein paar Monate. Stück für Stück schafft sie längere Strecken. Nicht nur auf ihrem Laufweg, sondern auch in ihrer Alltagsbewältigung. Kleine Veränderungen mit großen Auswirkungen.

Eindrucksvoll schafft Isabel Bogdan dies in Worte zu fassen, diese GEdanken der Protagonistin, diese Entwicklung, diese Öffnung mit all ihren Facetten, den Bandwurmsätzen, den schleifenartigen Gedanken, den tieftraurigen Einblicken, die Hoffnungsschimmer. Dieser Seelen-Striptease zeigt Abgründe und innerliche Kräfte, den nicht verlorenen Humor und der Lebensfreude, die doch noch unter dem Mantel der Trauer vorhanden ist und die langsam, aber immer mehr, mit jedem Schritt, wieder zum Vorschein kommt.
"Laufen" - darauf muss man sich einlassen können und dann wird man mit einer ungewöhnlichen Lektüre belohnt.