Eine deutsch-deutsche Geschichte

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leseskorpion Avatar

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Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Rezension diesem wunderbaren Buch gerecht werde, aber ich versuche es mal.

Es ist die Geschichte von zwei 15-jährigen Mädchen im Nachkriegsdeutschland in den ausgehenden Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Leben der beiden Hauptpersonen könnten nicht unterschiedlicher sein.
Angelika lebt in Kassel als behütete Tochter einer Künstlerfamilie. Trotz eines Schulverweises und einer großen Tragödie, bei der sie ihre beste Freundin verliert, schafft sie es ihren Lebenstraum zu verwirklichen und Fotografin zu werden. Unbeirrt geht sie ihren Weg und landet als Fotojournalistin in West-Berlin.
Christine lebt in Ost-Berlin mit Mutter, Stiefvater und Bruder. Sie ist eine talentierte Kunstturnerin und wird von der Partei gefördert, aber auch mit Argusaugen beobachtet, weil ihr leiblicher Vater sich in den Westen abgesetzt hat. Mit ihrer Turnerkariere lebt sie den Traum ihrer Mutter. Für den Erfolg wird sie bis aufs Blut gequält. Alle Versuche sich zur Wehr zu setzen scheitern, weil dann Repressalien für die Familie drohen.

In sehr detailliertem, einfühlsamem Schreibstil schildert Katharina Fuchs die so unterschiedlichen Leben der beiden Protagonistinnen und verknüpft dabei deren Lebensstationen mit den historischen Ereignissen in den ersten Jahren der deutschen Teilung. In den Schilderungen von Angelikas Leben im Westen konnte ich die Aufbruchsstimmung der jungen Leute dieser Zeit ebenso spüren wie das Misstrauen und die Angst vor Bespitzelung und Bestrafung in den Abschnitten über Christines Leben im Osten. Besonders erschütternd fand ich den Abschnitt über die Ereignisse des 13. August 1961 in der Bernauer Straße. Diese schildert Katharina Fuchs so eindringlich, dass mir das Gelesene noch lange im Kopf herumspuken wird.
Eine sehr schöne Idee ist die "Nachlese", durch die ich erfahren habe, was aus den beiden Mädchen und ihren Familien später geworden ist.

Insgesamt hat mir dieses Buch so gut gefallen, dass ich es gar nicht aus der Hand legen wollte. Ich fand es mitreißend und spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Mit gründlich recherchiertem Hintergrund, liebevoll charakterisierten Figuren und genauer Schilderung von Einzelheiten der Mode und der Grundstimmung dieser Zeit hat mich die Autorin mitgenommen in die Zeit des Aufbruchs und ins Wirtschaftswunder.

Dafür gibt es von mir eine klare Leseempfehlung und fünf Sterne. Wenn es möglich wäre, würde ich mehr Sterne vergeben.