Spannende Geschichte mit vielen Details und sehr viel Aufklärungsarbeit

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ice_flower Avatar

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Die jungen Mädchen Christine und Angelika könnten unterschiedlicher fast nicht sein. Christine, eine Leistungsturnerin in der DDR mit großen Medaillenhoffnungen und Angelika aus der BRD, die mangels Leistungen von der Schule fliegt und nun ohne Schulabschluss versucht eine Lehre zu machen. Angelikas Leidenschaft ist die Fotografie und so versucht sie sich in den 50er Jahren in dieser Männerdomäne durchzusetzen und fleißig zu lernen. Christine wiederum steht als Leistungssportlerin unter einem unwahrscheinlichen Drill und Druck Leistungen als Aushängeschild der DDR zu erbringen. Doch das Schicksal und auch die Fotografie bringen sie über Umwege und unter dramatischen Umständen zusammen…

Das Buch „Lebenssekunden“ ist der neue Roman von Katharina Fuchs. Da ich bereits das Vergnügen hatte „Zwei Handvoll Leben“ von ihr zu lesen, habe ich mich auch sehr auf diesen Roman gefreut. Mir gefällt wieder der authentische und zugleich fesselnde Schreibstil. Außerdem gelingt es der Autorin erneut, wie in ihrem ersten Roman, hier zwei Frauenschicksale auf wunderbare Weise miteinander zu verknüpfen. Die Geschichte beginnt zunächst gemächlich und immer aus unterschiedlichen Sichtweisen, einmal von Christine und einmal von Angelika. Als die Entwicklung der Geschichte Fahrt aufnimmt, wird der Wechsel der Kapitel durchaus schneller und zum Ende hin haben auch einzelne andere handelnde Charaktere ihre eigenen Kapitel. Die Autorin skizziert in ihrem neuesten Werk zum einen den Aufstieg der BRD in ein stabiles Land mit wirtschaftlichem Wachstum als auch die DDR und deren sozialistische Ideale und den damit verbundenen Restriktionen für viele aus der Bevölkerung. Besonders gelungen finde ich die Beschreibungen zu Christine und dem Drill, den sie bereits als 15-jährige Leistungssportlerin ausgesetzt ist. Auch die Stasi-Methoden und einhergehende Bestrafungen, wenn sie sich nicht immer sofort beugt, sind sehr bedrückend, aber anschaulich beschildert. Auf der anderen Seite nun die junge und fast gleich alte Angelika. Sie kämpft mit den Vorbehalten, die man gegenüber arbeitenden Frauen im Westen eben zu jener Zeit hatte bzw. mit Mädchen im Allgemeinen. Denen wurde maximal zugebilligt ihre Familie zu versorgen, aber sich eben nicht beruflich zu verwirklichen. Die Metapher „Lebenssekunden“, die dem Buch den Titel verleiht, hat außerdem eine ganz besondere Bedeutung im Buch und taucht mehrfach auf. Ich finde das dies wunderbar in die Geschichte eingearbeitet worden ist und der Bezug damit zum Titel jederzeit möglich ist. Auch die Charaktere sind an sich sehr authentisch und man kann sie sich sehr gut vorstellen.
Kritisch möchte ich anfügen, dass ich 2x über kleine inhaltliche Fehler gestolpert bin, was eigentlich bei einem Lektorat in einer großen Verlagsgruppe nicht passieren sollte. Es wird zwar von der einer jungen Frau gerade berichtet, aber der Name der anderen erwähnt, quasi vertauscht. Das finde ich sehr schade, gibt aber meiner Bewertung keinen Abbruch.

Mein Fazit: Ein zeitgenössisches Porträt zweier junger Frauen, die sich durchzusetzen versuchen und ihr Leben gestalten wollen und dabei einfach nur jung und frei sein möchten- mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es jedem ans Herz legen, der sich für interessante und miteinander verknüpfte Schicksale interessiert.