Hackordnung

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herbert grießhammer Avatar

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Winn van Meter- die Zentralfigur des Romans, ist ein erfolgreicher Mann mit Havardabschluß und Mitglied in den, wie er meint, richtigen Golfklubs. Mit seinen sechzig Jahren wähnt er sich auf dem Zenith seines Lebens. Er hat ja auch alles, was man sich nur wünschen kann: Eine reizende, vorzeigbare Frau und zwei Töchter im heiratsfähigen Alter. Außerdem besitzt er ein Ferienhaus auf einer kleinen Atlantikinsel vor der Ostküste. Die ältere Tochter, Daphne, steht kurz vor ihrer Hochzeit mit einem angesehenen jungen Mann. Das Ganze soll auf der Ferieninsel stattfinden. Ein kleiner Schönheitsfehler ist leider doch dabei: Die Braut ist bereits sichtbar schwanger. Für die puritanischen Amerikaner sicherlich kein Vorteil. Seis drum: Die Story beginnt am Donnerstag, erstreckt sich bis zum folgenden Samstag, dem Tag der Trauung. 

Nach und nach trudeln die Hochzeitsgäste ein: Die Familie des Brautvaters ebenso wie die der  Braut. Brüder, Schwestern, schön bunt gemischt. Und diese Mischung machts dann auch. Denn jeder kämpft irgendwo mit seiner Vergangenheit. Allen voran Winn van Meter, der Brautvater. Er würde so gerne zur White High Society der Ostküste gehören. Doch so ganz will ihm das nicht gelingen. Die Mitgliedschaft in einem ganz bestimmten, honorigen Golfklub ist ihm bisher verwehrt geblieben, obwohl er bereits seit drei Jahren auf der Warteliste steht. Er hat seinen Freund Jack Fenn im Verdacht, die Klubaufnahme zu hintertreiben. Zu allem Überfluß hatte Winns zweite Tochter, Livia, ein Verhältnis mit Jack Fenns Sohn Ted, das nicht ohne Folgen geblieben war. In diesem Falle wurde aber eine diskrete Abreibung arrangiert, sodaß Außenstehende davon nichts erfuhren. Ted trennt sich von Livia und meldet sich zum Entsetzen Aller freiwillig zur US-Army. Winn ist mit seinem Leben irgendwie unzufrieden. So startet er mehrere Annäherungsversuche bei zwei jungen Hochzeitsgästen. Es kommt nicht bis zum Äußersten. Im ersten Fall bekommt er Gewissensbisse, im zweiten verläßt ihn  leider seine Manneskraft. Peinlich, peinlich. Zu allem Überfluß baut sein "Freund" Jack Fenn auf derselben Insel ebenfalls ein Ferienhaus. Natürlich wird dieses größer und schöner sein, als Winns Haus. Soll man da nicht aus der Haut fahren?

Auch die übrigen Freunde und Familienmitglieder, die bereits alle eingetroffen sind, werden nicht verschont. Einer nach dem Anderen hält Rückschau. Die Einen tun dies auf amüsante Weise, die Anderen wiederum eher elegisch. So nähert sich langsam der Samstag, der Tag der Trauung, an dem alles sein gutes Ende findet.

Ich habe dieses Buch sehr genossen. Treffsicher und brillant werden die einzelnen Charaktere gezeichnet. Köstlich, den armen Winn in seinem Streben nach oben zu beobachten. Auch privat will er ja nicht zum alten Eisen gehören. Doch er liebt seine Frau, und daran will er ja auch nichts ändern. Auch die Anderen haben ähnliche Probleme. Eifersucht, Neid und rechthaberisches Gehabe sind die turbulenten Zutaten zu der eigentlich doch heiteren Geschichte. Zum Schluß sei noch angemerkt: Der deutsche Buchtitel scheint mir nicht recht zum Konzept zu passen. Der Originaltitel " Seating Arrangements" ist da treffender. Bei einer Hochzeit spielt die Tischordnung eine große Rolle. Man könnte das Ganze aber im übertragenen Sinne auch als Hackordnung bezeichnen.