Ein von vielen Lektionen geformtes Leben

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Roland Baines verlebt als Sohn eines britischen Armeeoffiziers in Libyen eine recht unbeschwerte Kindheit, die abrupt endet, als er 1959 mit 11 Jahren auf ein englisches Internat geschickt wird. Er erweist sich als begabter Junge, bereits als Schüler sogar als außergewöhnlich begnadeter Pianist. Mit seiner Klavierlehrerin erlebt der pubertierende Junge jedoch obsessive sexuelle Erfahrungen, die ihn durchaus mit Stolz erfüllen, im Rückblick jedoch ein prägendes Missbrauchserlebnis darstellen. Auf den Schulabbruch folgt ein unstetes Leben ohne Ausbildung und ohne Beruf, mit wechselnden Beziehungen, getrieben von sexueller Obsession. Nach einem „verlorenen Jahrzehnt“ ziellosen Herumstreunens heiratet er 1985, wird sesshaft im eigenen Heim und gründet eine Familie, aber die geliebte Ehefrau lässt ihn mit dem Baby allein zurück, um sich ihrer Berufung als Schriftstellerin zu widmen, mit großem Erfolg. Er wird zum Alleinerziehenden, bringt sich und den Sohn mit Gelegenheitsjobs über die Runden, meist als Barpianist und Tennislehrer. Auch eine spätere zweite Liebesbeziehung scheitert zunächst. Durchzogen und begleitet wird der Lebensbericht von den großen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Krisen der jeweiligen Zeit, von der Kubakrise über Tschernobyl, den Mauerfall, Corona bis hin zur globalen Klimakrise, die auf Rolands Leben einwirken. Auf 700 Seiten breitet Ian McEwan das wechselvolle Leben des Roland Baines aus, von der Kindheit bis ins Alter, schildert sein Innenleben in all den Jahrzehnten, fragt nach der Verantwortung für das eigene Leben und das der anderen, stellt Fragen nach Sex und Liebe, Sehnsucht und Erfüllung, Scheitern und Erfolg, Schuld und Vergebung. Es erzählt von vertanen Chancen und überraschenden Wendungen, Zeiten voller Pläne und Hoffnung und solche der Trägheit und des Sich-treiben-Lassens. So entsteht ein literarisches Meisterwerk, das nebenbei die großen Fragen der Zeit behandelt, in der dieses Leben spielt.