Fast ein ganzes Leben und fast ein normales Leben

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klaus_bücherfan Avatar

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Ian McEwan ist ein großer Schriftsteller! In seinem neuen Roman „Lektionen“ läßt er uns am Leben von Roland teilhaben. Auf gut 700 Seiten begleiten wir Robert von Kindesbeinen bis Ende seiner 60er Jahre. Wir erleben die Zeitläufte der letzten sieben Jahrzehnte. McEwan baut die großen Entwicklungen wie Kriege, Tchernobyl, Wahlen, die Pandemie, den Klimawandel und andere Ereignisse mit ein. Manchmal lesen wir geradezu in einem Geschichtsbuch. Für alle etwas älteren Leser:innen auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Was ist das besondere im Leben von Robert? Er wurde als Schüler von einer Lehrerin sexuell missbraucht. Teilweise war er ihr hörig, teilweise genoss er es. Diese Erfahrungen waren prägend für sein Leben und immer wieder litt er daran. Auch seine Beziehungen zu Frauen wurden durch diese Erfahrungen geprägt. Seine Frau (im Roman wird diese nach und nach zur berühmtesten Schriftstellerin Europas), die sich von ihm trennte und die er kurz vor Ende des Buches wiedertrifft konfrontiert ihn damit, dass er nichts richtig zu Ende gebracht haben. Nie habe er sein Potenzial ausgeschöpft. Ist es nicht so im Leben von uns allen? Hält uns das Leben mit seinen vielen Facetten nicht von einer vollen Ausschöpfung eines Potenzials ab? Daran sollte man nicht verzweifeln, Robert tut dies gelegentlich. Diese Buch scheint viele Geheimnisse von Robert zu offenbaren, aber es sind nicht mehr als jede:r von uns hat. Insoweit ein Roman, der wohl ein fast normales Leben zum Inhalt hat. Das Buch hat einige Längen, aber auch so ist das Leben! Eine klare Leseempfehlung!