Ein Buch der Superlative

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Für das neue Buch des norwegischen Starautoren Jo Nesbo lassen sich im Grund genommen nur Superlative finden: Nie war ein Harry-Hole-Roman dicker, nie war ein Fall von Harry vertrackter, nie war der Kommissar so weit unten und nie war der Grat, auf dem er wandelt, so schmal.

Nach den Geschehnissen, die der Fall des Schneemannes mit sich brachte, hat Harry mit seiner Existenz als Kriminalkommissar gebrochen und hat sich nach Hongkong geflüchtet. Dort fristet er im Schatten des Millionenmolochs ein kümmerliches Dasein, mit Geld-und Wettschulden bei den Triaden und übermäßigem Alkohol-und Drogenkonsum. Aus diesem Elend befreit ihn nun Kaja Solness, eine aufstrebende Beamtin, und holt ihn zurück in seine Heimatstadt Oslo, wo grausame Morde die Bevölkerung und Polizei aufhorchen lassen. Junge Frauen wurden mit einem mysteriösen Folterinstrument zu Tode gemartert und auf den ersten Blick scheint es keine Verbindung zu geben – doch nicht so für den mit Serienmördern geschulten Harry, der schon bald erkennt, dass hinter den Taten eine Logik und damit ein brandgefährlicher Gegenspieler lauert.

Doch bei seinem neuen Fall hat Harry nicht nur mit einem perfiden Mörder zu kämpfen, sondern auch polizeiinterne Zwiste zwischen Harrys Dezernat für Gewaltverbrechen und dem Kriminalamt unter Führung des ehrgeizigen Karrierehengstes Mikael Bergmann belasten den dem Alkohol verfallenen Hole. Mit unlauteren Mitteln bekämpft Bergmann das Dezernat für Gewaltverbrechen und entreißt ihnen den Fall, was ihn natürlich nicht daran hindert, deren Ermittlungserfolge als solche des Kriminalamtes zu verkaufen. Harry muss außerhalb seiner Befugnisse ermitteln und schon bald erkennen, dass es einen Maulwurf gibt und einige seiner Kollegen noch deutliche Sympathien für den in „Das fünfte Zeichen“ getöteten Polizisten Tom Waaler, ein früherer Gegenspieler Harrys, hegen.

Belastet wird der Kommissar aber nicht nur durch seinen Fall, sondern auch sein Privatleben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein. Rakel und ihr Sohn Oleg haben Harry und Norwegen verlassen und in seine Niedergeschlagenheit platzt auch noch die Kunde vom nahen Tod seines Vaters Olav Hole …

Wie oben schon angedeutet gibt Jo Nesbo seinen Lesern im Vergleich zu den Vorgängerbänden dieses Mal noch mehr zu verdauen: Der Kommissar ist so tief gesunken wie noch nie und ist nun sogar noch der Droge Opium verfallen und es scheint, als könne diesen Kampf gegen sich und seine Gegner niemals gewinnen. Zudem kreiert der Norweger diesmal ein Szenario, in dem Harry von machtpolitischen Spielen fast komplett aufgerieben wird, obwohl er eigentlich nur den mysteriösen Mörder zur Strecke bringen möchte. Er führt auch dieses Mal seinen abgehalfterten, aber trotzdem unglaublich guten Kommissar auf eine weite Reise, dieses Mal von einer verschneiten Berghütte bis in den tiefsten Kongo und er lässt den Leser mitleiden. Man kann nur den Kopf schütteln und gleichzeitig mitfühlend über den inneren Kampf des Kommissars gegen den Alkohol, den er so oft verliert, reagieren. Obwohl das Buch über 700 Seiten hat, will man immer gehetzt weiterlesen, da der Autor den Leser geschickt führt, indem er ihm manchmal einen Wissensvorsprung gibt, manchmal Infos vor dem Leser geheim hält und ab und zu gut dossierte Cliffhanger einsetzt, die den Leser richtiggehend an das Buch fesseln.

Fazit: Ein feines Gespür für gute Dialoge, viel Psychologie und Harrys wohl bisher bester und schwerster Fall – schon bereits jetzt eines meiner absoluten Highlights des noch jungen Jahres 2010!