Fast wie im Film

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melange Avatar

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Nicht irgendein lieblos abgespulter Streifen, sondern ein echter Blockbuster könnte "Der Leopard" werden, wenn Regisseur und Hauptdarsteller so meisterhaft wie Harry Hole und seine vielen innerpolizeilichen und kriminellen Gegner agieren.

Zum Cover: Nun ja, ein Leopard - in der Schnee-Version. Passt zur Hauptlocation (eine Hütte in den verschneiten Bergen) und im übertragenen Sinne zum Drogenkonsum und Einzelkämpfer, daher nicht ganz schlecht gewählt.

Zum Inhalt: Harry Hole, desillusioniert und rauschgiftsüchtig in Hongkong gestrandet, wird von einer Kollegin nach Norwegen zurückbeordert, um dort eine Mordserie aufzuklären, bei der Motiv und Mordinstrument des Täters lange im Dunkeln bleiben. In der Heimat muss sich Harry nicht nur mit dem Fall beschäftigen, sondern auch die Geister seiner Vergangenheit und Gegenwart im Zaum halten.

Mein Eindruck: Zwar ist mir immer wieder ein Rätsel, warum ausgerechnet die kaputtesten Typen die hübschesten und erfolgreichsten Frauen abschleppen (wahrscheinlich Wunschdenken der Autoren), davon abgesehen fasziniert "Der Leopard" fast uneingeschränkt: Sehr gut beschriebene und höchst unterschiedliche Handlungsorte, mehrere Twists, die dem Leser unterschiedliche Tat- und Täterversionen anbieten, dabei jedoch - soweit das bei Krimi-Serienmorden möglich ist - meistens glaubwürdig bleiben und Hauptfiguren, die an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen und diese teilweise sogar überschreiten. Zu diesem Fingernagelkau-Plot mixt Nesbo geschickt zwischenmenschliche Tiefen und Machtkämpfe innerhalb der mit den Mordfällen befassten Ermittlergruppen, so dass selbst dann für Spannung beim Leser gesorgt ist, wenn sich das Hauptaugenmerk außerhalb der Ermittlungen befindet. Leider geht bei der Hochspannung und den dauernden Schwenks dem Leser irgendwann die wohlwollende Puste aus, so dass die letzten Überraschungsmomente zu nerven beginnen. 50 Seiten und ein Kontinent weniger hätte sich Nesbo sparen können und "Der Leopard" wäre ein noch besseres Buch gewesen.

Die letzten Seiten konnten jedoch wieder überzeugen, das Ende war schlüssig und entsprach Harry Holes Charakter.

Fazit: Etwas weniger wäre mehr gewesen, aber trotz einer Wendung zu viel ein sehr unterhaltsamer und spannender Thriller. 4 Sterne