Die Last des Schweigens

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Die Last des Schweigens bzw. Schweigen-Müssens sowie die unterdrückten Gefühle von Scham und Schuld begleiten die ungleichen Geschwister Sarah und Theo auch noch im Erwachsenenalter. Denn 1985 geriet ihre bis dato sehr idyllische Welt im fiktiven Avalon, einem Vorort von New York, völlig aus den Fugen, als sie in einem Anflug jugendlicher Leichtfertigkeit eine folgenschweren Autounfall mit Todesfolge mit-verursachen. Während Sarah ihre Schuldgefühle im Alkohol zu ertränken sucht, kompensiert diese Theo durch Essen. Und auch ihr Vater Ben, einst ein angesehener und beliebter Arzt, traf in jener Nacht eine Entscheidung von ungeahnter Tragweite, die er sich bis heute nicht verzeihen kann. Mittlerweile pensioniert, sitzt er nun einsam zwischen seinen Umzugskartons, um seiner demenzkranken Frau Mimi ins Pflegeheim zu folgen. Der Autounfall … DAS düstere Geheimnis, das die Familie Milf für immer prägte und veränderte.

Gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, lebt der sensible, hochbegabte und von der Astronomie faszinierte Junge Waldo, der eine einzigartige Verbindung zu Ben pflegt. Wie die Sternenbilder, die er so liebt, sind auch sie über Raum und Zeit hinweg miteinander verbunden. Denn nichts verschwindet wahrhaftig im Universum; wir sind alle EINS. Dies ist das zentrale Leitmotiv von „Leuchtfeuer“, das den Figuren Trost und Hoffnung in den dunkelsten Stunden spendet. Und für dieses Motiv muss Mensch möglicherweise auch empfänglich sein, damit „Leuchtfeuer“ das Leseherz vollumfänglich begeistern und berühren kann.

Nach der Lektüre bleibe ich etwas zwiegespalten zurück und frage mich, was in ein paar Wochen in Erinnerung bleiben wird von diesem Roman, der von der Autorin für eine Serie adaptiert werden soll. Einerseits ein sicherlich zutiefst menschliches und tröstliches Buch. Insbesondere die Figuren Ben, Waldo und Mimi habe ich gern begleitet, hätte ihnen im Nachhinein eine eigene Geschichte gewünscht. Andererseits - und ich mag diese „Stempel“ eigentlich nicht, weiß es aber im Moment nicht besser auszudrücken, bleibt mir „Leuchtfeuer“ letztendlich hinsichtlich Figurenzeichnung und Dramaturgie zu „amerikanisch“.

Die achronologische Erzählweise und die Zeitsprünge verhinderten in diesem Fall außerdem, dass ich eine echte emotionale Verbindung zu zentralen Figuren wie Sarah oder Theo aufbauen konnte, und die Auswirkungen aufgrund des Autounfalls auf ihr späteres Leben erschienen mir etwas zu oberflächlich behandelt. Ihnen hätte ich definitiv mehr Raum und Tiefe gewünscht.

Trotzdem habe ich das Buch insgesamt gern gelesen, doch zu einem herausragenden Highlight avancierte es leider für mich nicht. Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.