Die Kostümgrenze

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wilde hummel 1 Avatar

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Kristin Höller nimmt uns mit auf eine Nordseeinsel Strand. Die Burchardiflut trennte Pellworm 1634 von Nordstrand ab. In dieser großen Sturmflut ertranken auf Pellworm allein etwa 1000 Menschen. Mit diesem Wissen erhält der Roman von Kristin Höller einen historischen Background, der sich auch geheimnisvoll in den Roman hineinwebt. Da ist einerseits Marlene, die als Saisonkraft auf die Insel kommt und dort trifft sie Janne, die mit der Insel verwachsen ist. Dass hier auch eine sehr empathisch beschriebene lesbische Beziehung zwischen den beiden Frauen entsteht, bereichert die Geschichte, ohne dabei die Mystik der Inselgeheimnisse zu schmälern. Das Buch durchzieht ein magischer Sog, der sich einer Dramatik nähert und Vergangenheit und Heute in Bezug bringt. Man spürt den 'Blanken Hans', der an den Deichen nagt und Land und Mensch raubt. Kristin Höller beschreibt eine Insel, die sich für die Touristen eine historische Verkleidung verordnet hat. Die Menschen tragen mehr oder weniger historische Kostüme, die Häuser sollen den Anschein von denkmalgeschützten Originalen vermitteln und doch ist alles Fake; den vom Großmarkt gelieferten Marmeladegläsern werden die Etiketten abgelöst und durch handschriftliche ersetzt. Ein ganzes Dorf als Kulisse für die Touristen, denen ein Gestern vorgegaukelt wird, das längst untergegangen ist oder noch in vererbten Erinnerungsbildern weitergegeben wird. Die Kostümgrenze ist so eine Linie, die nicht nur den Übergang zur Verkleidung, sondern symbolisch auch das Gestern und Heute trennt und verbindet. Der Roman hat einen sachlichen Schreibstil, der der unterlegten Mystik gut tut und Geheimnisse, Wahrheiten, Fälschungen und Realitäten gut miteinander in Kontakt bringt.