Eine Allegorie, ein wunderschönes, düsteres Märchen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
sternchenblau Avatar

Von

Mit „Licht und Schatten“ fügt Zoran Drvenkar dem ewigen Kampf von Gut und Böse eine märchenhafte, sehr eigenständige Interpretation hinzu.
„Für einen langen klaren Moment war in der Tiefe der Dunkelheit ein Lichtfunke zu sehen.“
Vom Plot möchte ich nicht allzu viel erzählen. Ich habe mich bei der Lektüre treiben lassen, dass schafft Zoran Drvenkar mit „Licht und Schatten“ wunderbar. Nur so viel: Der Roman spielt 1704 in Russland, aber vielleicht ist es auch gar nicht dieses Russland, vielleicht, ist es ein anderes. Und Vida ist die Protagonistin, ein Kind, aber auch eine Hoffnung.
Am allermeisten hat mich die Welt beeindruckt, die Zoran Drvenkar geschaffen hat. Nach und nach erfahren wir die Vorgeschichte der Figuren und wie die Erde und die Menschheit entstanden sind. Darin bedient er sich zwar alter Mythen, erschafft aber etwas völlig neues. Seine Welt geht von einem weiblichen Prinzip aus. Und wie die Welt zusammenhängt, entblättert Drvenkar auf geschickte Weise nach und nach in seinem Buch.
„Wir Mütter waren alle gleich und so war es richtig, denn jedes Dasein sollte auf einer Ebene sein. Ohne Demut oder Furcht. Wir waren eins mit uns und dem, was wir taten.“
Das Buch hatte eine unheimliche Sogwirkung auf mich – unheimlich doppelt gemeint: Es ist unheimlich und unheimlich stark. Die Sprache ist sehr poetisch und märchenhaft, auch, wenn teilweise grausame Dinge erzählt werden. Drvenkar geht dabei zwar nie sehr ins Detail, aber dass Frauen geraubt werden sollen oder der Wächter sich der Körper anderer bemächtigt ist schon sehr gruselig.
Ich mochte die Figuren sehr gerne, allen voran Vida, aber auch ihren Vater und ihre Tanten. Manchmal bleibt der Erzähler sehr in Distanz, was mir aber gefallen hat. Aber die Identifikation bietet sich daher mit vielen Figuren und dann auch wieder nicht, was es für ganz junge Leser*innen vermutlich nicht zu einer emotional einfachen Lektüre macht.
„Tief in seinem Herzen weiß jeder Erzähler, wann seine Geschichte sich ihrem Ende nähert. Ich weiß es, ich weiß es viel zu gut und wünschte, ich könnte das Ende aufhalten und nach Vida greifen.“
Nach hinten gab es einen Showdown, eine regelrechte Schlacht am Palast, der gerade durch seine Länge recht klassisch war. Auch das hat Drvenkar toll geschrieben, aber dieser Teil hat mich jetzt nicht so sehr überrascht, wie die nuancierte Darstellung der Geschehnisse zuvor, die fast immer ohne größeres Säbelrasseln auskam. Das Ende, also die letzte Seite, hat mich dann wieder sehr überrascht.
Fazit
Insgesamt hat mir „Licht und Schatten“ sehr gut gefallen. In seiner Düsterheit ist es emotional nicht immer einfach und das letzte Viertel fand ich nicht mehr ganz so überraschend. Daher spreche ich eine Leseempfehlung aus und lande mit meiner Bewertung bei sehr guten 4 Sternen.
„Die Bibliothek ist ein wenig wie eine Geschichte, die einer einzigen Idee entspringt und plötzlich zu einem Roman wird, der kein Ende findet. Aus diesem Grund ist der Turm auch ohne Wurzeln. Er wandert von einem Kontanten zum anderen und steht nie lange still. Vielleicht einen Tag, höchstens zwei, manchmal sind es nur Stunden oder Minuten.“