Vom Gesang der Toten und der Liebe eines Bären...

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eskalina Avatar

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Ein Kind bei dessen Geburt der Tod in den Wipfeln einer Tanne geduldig wartet – was soll nur aus solch einem Kind werden? Das fragt man sich als Leser bereits nach den ersten Seiten und schnell wird klar, dass dieses Kind, dessen Name Vida lautet, ein ganz besonderes Kind ist. Nur Vida kann das Licht in die Welt bringen - eine Welt, die zerrissen ist von Kriegen, Hass und Leere. Sie kann mit den Toten sprechen und sie ins Licht führen, doch auch diese Gabe beschert ihr mächtige Feinde, die ihr nach dem Leben trachten. Sie wächst geliebt und behütet von ihrem Vater und ihren Tanten auf und ahnt früh, dass sie anders ist als die anderen Kinder in dem kleinen abgelegenen Dörfchen, das so weit weg vom Rest der Welt liegt. Es scheint, als ob sie dort niemand entdecken kann, doch das Böse ist ihr längst auf der Spur…

Ich habe mich bereits bei der Leseprobe in das Buch verliebt. Es ist eine märchenhafte Welt, in der Vida lebt und so erinnert die Sprache, mit der der Autor Vidas Geschichte erzählt, an alte Märchen, die ich in meiner Kindheit geliebt habe. Es gibt die Guten, die hoffentlich am Ende siegen werden, und die abgrundtief Bösen; beide lernt man im Verlauf der Geschichte näher kennen und ahnt bereits früh, dass es auf einen erbitterten Kampf hinauslaufen wird. Die märchenhafte, poetische Sprache und die latente Spannung bleiben die ganze Zeit über erhalten. Es gibt Sätze, die man mehrmals liest, weil sie sich so gut als Zitat zu diesem Buch eignen, doch irgendwann sind es zu viele Sätze, ist die Auswahl zu groß.

Zoran Drvenkar hat seinen Figuren Charakter gegeben und lässt zudem seinen auktorialen Erzähler immer wieder mit feinem Humor einen Blick auf die Handlung werfen. Er spricht den Leser an, entschuldigt sich für manche Dinge, weckt Ahnungen und wirkt immer auch wie ein Erwachsener, der sich zu uns Lesern beugt, uns das Märchen vorliest und uns dadurch wieder ein wenig zu Kindern werden lässt. Trotzdem würde ich diese Geschichte nicht für Kinder empfehlen, denn es geht zeitweise doch ganz schön grausam zu. Es wird gemordet, gestorben, verwest und geblutet und es ist lange Zeit überhaupt nicht klar, warum wir glauben, dass uns der Autor ein harmonisches Ende schuldet. Dazu verrate ich nichts; nur das: es ist so ungewöhnlich wie die gesamte Geschichte, die mich immer noch beschäftigt, weil ich alles an ihr geliebt habe: die poetische Sprache, die ungewöhnlichen Figuren, die spannende, manchmal brutale, oft traurige Handlung und die bleibende Erinnerung, ein ganz besonderes Buch gelesen zu haben.