Nichts ist in Ordnung. Nichts

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owenmeany Avatar

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Mit einem inneren Monolog eines gebrechlichen, griesgrämigen alten Herrn, der sich im Laufe der Zeit als ehemaliger Regieassistent G.W. Pabsts entpuppt, steigt Daniel Kehlmann ein in die Geschichte. Ganz leicht macht es uns der Autor nicht, der Handlung zu folgen. Sein filmreifes Skript baut das Geschehen aus verschiedenen Facetten auf, die vieles, auch die vollständigen Namen der Akteure, nur andeuten. Stück für Stück kristallisieren sich die Licht- und Schattenseiten der im Berichtszeitraum noch jungen Filmindustrie in Deutschland, den USA und Frankreich heraus, wo der künstlerisch bis heute anerkannte, inzwischen aber ein bisschen in Vergessenheit geratene Regisseur seine Erfahrungen sammelte, getrieben vom Schicksal, das die Weltgeschichte vorgab, aber auch von seinem eigenen Enthusiasmus.

Wie Künstler als Renommiergestalten verbrecherischer Regime vom Staat in die Mangel genommen wurden, hat Julian Barnes ganz großartig in seinem Werk über Schostakowitsch dargestellt - doch hier verhält es sich anders, weil hier anscheinend mehr Freiwilligkeit statt Zwang die Rolle spielt. Pabst ist getrieben durch die Umstände, aber zurück in die sicheren USA zu reisen ist keine Option, denn da konnte er sich in seiner Kreativität nicht wunschgemäß entfalten.

Und so geht er Kompromisse ein, die bald die Grenze der Korrumpierbarkeit überschreiten. Wir begegnen Berühmtheiten wie Greta Garbo, Helmut Käutner, Veit Harlan, Leni Riefenstahl, Bernhard Minetti und anderen. Unter anderem stellt der englische Schriftsteller P.G. Wodehouse eine tragische Figur dar, den die Nazis ebenfalls vor ihren Karren spannten. Daraus entspringt ein wahres Kabinettstückchen in dem Kapitel, in dem dieser voll bitterer Ironie und wahrlich decouvierend eine Filmpremiere in Salzburg rezensiert.

Über die Technik des Filmemachens habe ich so manches Neue erfahren durch die Anteilnahme an Pabsts Überlegungen während seines Schaffensprozesses, in dem er nichts dem Zufall überließ, sondern seinem virtuos eingesetzten Handwerkszeug.

Pabst geht die Kunst über alles, dabei kann sich bei ihm keinerlei Empathie entwickeln, selbst in der Endzeit des Zweiten Weltkriegs nimmt das eine derartige Eigendynamik an, dass er schließlich die Absurdität auf die Spitze treibt.

Inwieweit man alle erwähnten Fakten wirklich beweisen kann, sei dahingestellt. Es liegt hier kein Sachbuch vor, sondern meiner Meinung nach ein literarisches Meisterwerk in Form und Aussage, dessen Lektüre ich nachdrücklich empfehle.