Von allem zu viel

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poutschie Avatar

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Der Einstieg in das Buch war für mich fulminant: Kehlmann lässt uns in die innere Sicht des inzwischen altersdementen Franz Wilzek abtauchen, des ehemaligen Kameraassistenten von G.W. Pabst. Diese Innensicht ist lesenswert und bedrückend zugleich und fängt den Leser mit einem vermeintlichen Cliffhänger: ist der letzte Film „Der Fall Molander“ wirklich verschollen oder wurde er nie gedreht?

So weit, so gut und auch so packend. Erst hiernach lässt Kehlmann in Episoden und Zeitsprüngen das Leben von G.W. Pabst aufrollen. Und ab da habe ich keinen wirklichen Zugang zu „Lichtspiel“ gefunden.

Als eine Biographie über G.W. Pabst soll und kann man das Buch nicht lesen. Fiktion und Realität wechseln sich ab und es bedarf eines großen Vorwissens des Lesers, unterscheiden zu können, wo sich wahre Begebenheiten und Personen mit fiktiven abwechseln.
G.W. Pabst bleibt auch nach den knapp 450 Seiten wenig bekannt und erhält keine Konturen. Er wirkt seltsam Marionettenhaft – alles geschieht ihm durch Zufall, durch äußere Umstände oder wird ihm „liebenswürdig“ aufdiktiert. Er lässt alles über und mit sich geschehen. Nur wenn es um das Erschaffen des perfekten Films geht, wird er aktiv. Man darf die Figur Pabst in diesem Roman sicherlich auch als Allegorie auf Kunst und Künstler innerhalb einer Diktatur und genauer, innerhalb des Dritten Reichs, lesen und verstehen, so wie auch die – zum Teil fiktiven – Nebenfiguren als Beispiele für Überleben, Anbiederung und der grundsätzlichen Frage, wie kann und will ich mich in einem solchen Regime positionieren, stehen können. Dies alles gerät mir jedoch zu langatmig. Hier hätte Kürzen dem Roman mehr Fülle verliehen.

Manches wird sprachlich überhöht erzählt und bekommt hierdurch eine ganz eigene Ebene. Die Szenen enthalten etwas kafkaeskes (etwa wenn Pabst beim Minister in Berlin weilt) oder erinnern an E.T.A. Hoffmann oder werden fast filmisch geschnitten erzählt (etwa die Flucht aus Prag). Das ist an manchen Stellen amüsant, nutzt sich auf Dauer aber sehr ab. Und wenn dann die Figur des Jerzabeks sich im Laufe des Romans von einem liebenswürdigen Hausmeister zu einer Mischung aus Quasimodo und dem Teufel verwandelt, so mag auch das eine anfangs gelungene Darstellung der Schrecken des NS-Regimes sein, in ihrer Überfrachtung leidet das Lesen irgendwann aber doch stark.

Schade, aber dieser Kehlmann hat mich nicht überzeugt.