Die Farben des Lebens

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ilonar. Avatar

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Ein reizvoller Ort – der Spreewald.
Eine interessante und an Umbrüchen im Großen wie im Kleinen reiche Zeit – 1990, das Jahr nach dem Fall der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten.
Wie schnell haben wir das alles vergessen und sind zur Tagesordnung übergegangen? Gerade letztere Feststellung hat mich bewogen, mich um dieses Buch zu bewerben und ich hatte Glück.
Jetzt, nach der Lektüre, stelle ich mit ein wenig Bedauern fest, dass mir gerade diese Umbrüche und die Verschiedenartigkeit von Ost und West in den Menschen und in ihrem Alltag ein wenig zu kurz gekommen sind. Da waren meine Erwartungen höher und wurden von dem Roman leider nicht ganz erfüllt. Trotzdem habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt.
Im ersten Teil des Buches erleben wir einige Monate im Jahr 1990. Kathrin Bahrenbeck, Tochter einer Familie im Spreewald, die eine alte Gurkenfabrik modernisieren und neu aufbauen will und Julian Albrecht, ein junger Banker aus dem Westen, treffen aufeinander, um die Kreditverhandlungen für dieses Projekt zu führen. Sie sind zunächst wie Feuer und Wasser, keiner kann den anderen leiden und doch empfinden beide, dass da noch andere Gefühle im Spiel sind. Und so kommt, was kommen muss – die beiden werden ein Paar und glauben beide, dass dies nicht nur für diesen Sommer sein wird. Das Schicksal aber will es anders und Julian muss überstürzt nach Köln zurückkehren.
Fünfundzwanzig Jahre später, Kathrin hat die Fabrik längst von ihren Eltern übernommen und agiert sehr erfolgreich in dieser Aufgabe, soll sie einen nicht ganz unbedeutenden Preis für Unternehmerinnen erhalten. Sie reist zur Preisverleihung und steht völlig unerwartet Julian gegenüber. Als Stifter des Preises ist der nicht minder überrascht ist, an wen er die Auszeichnung zu übergeben hat.
Viel ist in 25 Jahren passiert, beide haben geheiratet und Familien gegründet, Kathrin ist allerdings wieder geschieden. Sehr schnell ist beiden klar, dass noch eine Menge Gefühle aus ihren zauberhaften gemeinsamen Monaten vorhanden sind und sie tasten sich vorsichtig und mit viel Misstrauen wieder aneinander heran.
In diesem heute spielenden Teil ist Heike Wanner ein erfrischend heiterer, aber doch in vielen Passagen auch nachdenklicher Roman gelungen. Ohne Pathos erzählt sie das Leben der beiden Protagonisten in der Zeit, als beide nichts mehr voneinander hörten und das aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Abwechselnd lässt sie Julian und Kathrin erzählen und die Leser werden Zeugen, wie sich beide vorsichtig annähern. Nicht immer gelingt es ihnen, Verständnis für die Entscheidungen und das Leben des anderen zu entwickeln und manchesmal gibt es harte Auseinandersetzungen.
Sehr geschickt ist die Geschichte dieser beiden Personen mit den anderen Familienmitgliedern verknüpft. Und in der Person von Felix, Julians Adoptivsohn, hat die Autorin eine sehr interessante Figur in die Geschichte gebracht. Felix ist gehörlos, ist ein erfolgreicher Fotograf und Journalist und mit einer so positiven und bejahenden Lebenseinstellung ausgestattet, dass man sich beim Lesen des Eindrucks nur schwer erwehren konnte, sich einen solchen Ratgeber das ein oder andere Mal auch zu wünschen.

Alles in allem ist die „Leibe in Sommergrün“ ein sehr einfühlsamer und unterhaltender Liebes- und Familienroman, der während der Lektüre noch viele weitere Farben des Lebens vor uns ausbreitet.