Punkrock in Romanform

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miro76 Avatar

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Timm ist Schulabbrecher, jobbt in einem Supermarkt und bezeichnet sich selbst als Schriftsteller. Er hat zwar noch kein Buch veröffentlich, aber er schreibt zusammenhanglose Sätze in sein Wachspapierheft, das er immer und überall dabei hat.

Außerdem kann er ganz ordentlich trinken, wie ein richtiger Schriftsteller. Seine Zeit verbringt er bevorzugt in einer Spelunke, wo seine Angebetete Rock kellnert. Um nicht mehr bei den Eltern wohnen zu müssen, zieht er kurzerhand in die Rumpelkammer zu Rock und Marc und bringt ordentlich Wirbel in die WG.

Eigentum hat er keins und respektiert auch fremdes nicht. Er bedient sich in Marks Zimmer auch noch, als dieser es mit einem zusätzlichen Vorhängeschloss sichert.

Und er schafft es tatsächlich einen Roman zu veröffentlichen. Aus seinen Sätzen und Marks Dissertation bastelt er mit der Cut-up Methode ein Buch mit dem Titel 1.

Er lügt, betrügt und bleibt dabei in seiner kindlichen Naivität doch irgendwie sympathisch, bis er gegen Ende hin den Bogen in seiner Bessenheit Rock zu erobern, überspannt.

"Liebe Rock" ist ein Briefroman. Von Anfang an wird die Erwählte angesprochen und Timm's ganzes Handeln auf sie ausgerichtet, obwohl Rock wirklich nichts tut, was ihn dazu auffordert. Timm ist ein interessanter Charakter. Er wirkt kindlich naiv und überschreitet pausenlos sämtliche Grenzen, die er finden kann. Trotzdem hat damit irgendwie Erfolg und verliert auch nicht die Sympathie der Mitmenschen und der Leser*innen.

Mich hat das Buch hervorragend unterhalten, obwohl ich unendlich dankbar war, niemals einen Mitbewohner wie ihn gehabt zu haben.

Spannend fand ich auch, dass die Kapitel als Countdown angelegt sind. Das Buch beginnt bei 100 und als Leser*in kann man sofort rätseln, worauf es zusteuern wird.

Und lustig fand ich, wie der Autor das Feuilleton aufs Korn nimmt. Diese Abschnitte darf man natürlich mit einem Augenzwinkern lesen, man darf aber auch laut lachen!