Ich muss schon sagen, diese Leseprobe erinnert mich auf fatale Weise an „Raum“ von Emma Donoghue… wenngleich das Buch von Romy Hausmann einen anderen Ansatz verfolgt.
Hier beginnt die Geschichte gleich mit der Flucht. Das Entführungsopfer, die Mutter, ist mit der Tochter in „Freiheit“ unterwegs, als sie einen Unfall erleidet. Beide landen in der Notaufnahme, und aufgrund fehlender Papiere kümmert sich eine Sozialarbeiterin um das völlig verängstigte Kind.
Hannah ist unsicher, wie sie sich verhalten soll. Denn der Unfall war schlicht nicht vorgesehen. Sie hat ausserdem erkennbar keinerlei Ahnung von der Welt, weiss nichts von Papieren oder „Tatsachen“. Und sie hat Angst, ihre Mutter nun auch noch zu verlieren. Sie ist durch den Entführer, den Vater, ausserdem derart mit Verhaltensweisen indoktriniert, dass es an Gehirnwäsche grenzt.
Wie bei „Raum“ auch, wird die Geschichte bislang aus der kindlichen Perspektive geschildert. Es gibt – seltene – Einschübe aus der Sicht der Mutter. Aber aus der Perspektive des Kindes wird das Grauen schlicht greifbarer für den Leser. Und ausgerechnet auf dem Kind liegt nun die Verantwortung für die Situation…
Es bleiben allerdings interessante Leerstellen offen, welche die Leseprobe natürlich noch nicht klären konnte. Wie gelangten Lena und Hannah in die Freiheit? Es wird nur angedeutet, dass Lena versucht haben soll, den Vater anzugreifen. Aber warum lassen sie dann den Jungen zurück? Und warum ist ausgerechnet in einer solchen Situation wichtig, den Teppich zu reinigen?? Ich hätte mir beide Kinder geschnappt, und wäre losgerannt!
Auch über Hannah stellt sich der Leser Fragen. Sie ist vom Alter her schwer einzuordnen. Einerseits sehr kindliches Verhalten, andererseits mit Faktenwissen vollgestopft. Als hätte sie ein Schulbuch „gefressen“. Ich schätze sie grob auf irgendwo zwischen 6 und 10 Jahren. Der Bruder muss jünger sein. Aber, wie gesagt, warum bleibt dann das kleinere Kind zurück??
Der Schreibstil ist bislang recht gut, auf Spannung und unterschwelliges Grausen ausgerichtet. Doch da wir uns noch am Anfang des Buches befinden, ist für mich völlig offen, wie die Geschichte sich entwickeln wird. Ich wäre allerdings gerne dabei. Schon allein, um es mit „Raum“ intensiver zu vergleichen!