Reise mit sisu

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
mirabell Avatar

Von

Mit „Liebten wir“ ist der Autorin Nina Blazon und dem Ullstein-Verlag ein hervorragendes Buch gelungen. Gleich beim Auspacken ist die ansprechende Covergestaltung, akzentuiert mit Relieflack, und beim ersten Aufschlagen das schöne Vorsatzpapier passend zum Cover sehr positiv aufgefallen. Auch der relativ große Umfang der Geschichte ist gut in dem Taschenbuch untergebracht worden, Papierwahl und Typografie garantieren einen ausgezeichneten Lesegenuss.

Der Inhalt des Buches zieht den Leser von Anfang an in seinen Bann. Die Protagonistin Moira ist mehr als ein Profi darin, über kleinste Gesten und Verhaltensweisen die Beziehungsgeflechte zwischen Personen herauszufinden. Ihr neuer Freund Leon, dessen Familie sie bald kennenlernen wird, versetzt diese Fähigkeit in leichten Schrecken und so muss sie gezwungener Maßen ohne ihre Kamera auf Kennenlernkurs gehen. So reibungslos die erste Hälfte des Kennenlernens auch über die Bühne geht, so sehr geht alles – aber auch wirklich alles – weitere schief, als Moiras Schwester vorbei kommt, um ihr einen Brief hinterher zu bringen, den sie bei einem (auch hier) Kennenlern-Kaffee mit ihr und ihrem neuen Freund liegen gelassen hatte. Schlussendlich will Moira nur noch dort weg, auch als Leser wünscht man sich, so schnell wie möglich aus diesem Zusammentreffen unangenehmer Leute wieder herauszukommen. Während der überstürzten Flucht im Auto ihres Freundes muss sie gezwungener Maßen die Großmutter der fremden Familie mitnehmen und es beginnt eine wilde Reise – jedenfalls soweit möglich -, die die beiden bis nach Finnland führt.

Die Autorin schafft es bei der Entfaltung dieses Romans, vergangene und zukünftige Ereignisse so zu beschreiben und kombinieren, dass eine Spannung erzeugt wird, die den Leser nicht so schnell dazu bringt, das Buch beiseite zu legen. Das Ringen Moiras mit der Sichtung ihrer Erinnerungsstücke aus der Kindheit mündet in eine Flucht nach vorn, die sie dazu bringt, die Großmutter Aino bei ihren Plänen zu unterstützen. Entsprechend ihrer fotografischen Vorliebe für vom einfallenden Licht weichgezeichnete Konturen, weiß sie auch hier nicht, was auf sie zukommt. Dem Leser ergeht es teilweise ähnlich, zwischendurch wechselt die Neugierde darauf, dass die Geschichten um die jeweilige Vergangenheit sich klären möge, in eine Ungewissheit darüber, ob man das wirklich noch möchte. Auch durch den unverblümten Umgang der beiden Frauen miteinander und die teilweise schroffen Unterhaltungen, in denen sie sich gegenseitig regelmäßig ‚vor den Kopf stoßen‘ bringt seine Eigentümlichkeiten mit sich.

Alles in allem zeigt das Buch jedoch auf eindringliche Weise, dass es nicht einfach ist, jemanden wirklich zu kennen, dass es nicht das Wichtigste ist, jedem zu gefallen und vor allem aber, dass es darauf ankommt, sich in gesundem Maße auf die Welt einzulassen. Familie, das wonach Moira die ganze Zeit strebt, ist wichtig, aber viel besser ist es, wenn die Familie die man hat das Gegenüber und dessen Persönlichkeit anerkennt und zu wertschätzen versteht – und natürlich auch andersherum.
Diese Botschaft und einiges mehr kommt in einer Mischung aus Liebes-, Reise-, Detektiv- und historischem Roman gut zum Ausdruck.