Lifelogging

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lunamonique Avatar

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Lifelogging, die digitale Protokollierung des eigenen Lebens, gehört bei immer mehr Menschen zum Teil des Alltags. Soziologe Stefan Selke geht den neuen digitalen Technologien zur Selbstvermessung, Selbstbeobachtung und Selbstoptimierung auf den Grund und zeigt die Folgen dieser Entwicklung auf. „Welche Formen von Lifelogging sind sinnvoll, und unter welchen Umständen tauchen kontraproduktive Nebeneffekte auf? Womit gewinnen wir Lebensqualität, wodurch geht sie verloren?“

Im Prolog wird an der Geschichte der Zeitmessung deutlich, wie Technologien, in diesem Fall der scheinbar neutrale Gehilfe Uhr, das Leben der Menschen verändert. Pünktlichkeit wird zum Muss, zählt zum guten Benehmen. Zeitweise Prestige-Objekt, ist die Uhr aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Längst ist aus dem Zeitmesser ein Computer am Handgelenk geworden, der Rechner, Stoppuhr, Kalender, Wecker oder Spiele enthält. Wohl kaum einer, der darüber nachgedacht hat, was die Entwicklung der Uhr für Auswirkungen hatte. Umso interessanter ist es, die Welt aus der Sicht von Stefan Selke zu betrachten. Die neuen digitalen Technologien ermöglichen jedem Einzelnen einen detaillierten Blick auf sich selbst. Wann werden die Grenzen zur Selbstverliebtheit, folgenschweren Beeinflussung überschritten? Lifelogging taucht im Alltag öfter auf, als man denkt. Schrittzähler, Pulsmesser, Kalorienzähler, Facebook, das Punktebelohnungssystem im Supermarkt um die Ecke, das Smartphone mit der Stimmungs-App. „Digitale Medien sind Teil unserer Umwelt geworden. Wir erzeugen nicht nur einen CO2-Fußabdruck, sondern wir leben auch mit einem sich ständig erweiternden digitalen Schatten.“ Ist es wirklich so wichtig zu wissen, wie viele Schritte ich gegangen bin, wie viele Stockwerke ich am Tag bewältigt habe? Muss ich unbedingt das genaue Körpergewicht wissen, wann ich zu Bett gegangen bin, wie lange ich geschlafen habe und wie meine durchschnittliche Herzfrequenz aussieht? Die Selbstvermessung, das Ansammeln biometrischer Daten und eigener Aktivitätsmuster ist die beliebteste Form von Lifelogging. Erfassen, speichern, optimieren. Wird ein Mensch auf Dauer leistungsfähiger, wenn er seine Daten sammelt, seinen Ehrgeiz, Kontrollwillen und sein Konkurrenzdenken aktiviert? Bleibt beim Ziel der größtmöglichen Effizienz nicht der Mensch selbst auf der Strecke? Genuss wird zum Zahlenspiel, Freude an Erfolg geknüpft, überflüssige Daten verstopfen den Alltag. Stefan Selke ist mit Experten, Entwicklern und mit Menschen, die Selbstversuche gestartet haben, ins Gespräch gekommen und gibt einen umfangreichen und verständlichen Einblick in das Thema Lifelogging. Die Vor- und Nachteile von Human Tracking werden genauso erläutert wie die Gefahren einer eigenen „Black Box“. Die Kapitel erscheinen manchmal ein bisschen lang, aber das Thema ist so fesselnd, dass man sich als Leser kaum eine Auszeit gönnt. Wer „Lifelogging – Wie die digitale Selbstvermessung unsere Gesellschaft verändert“ gelesen hat, wird kritischer mit dem Thema „Digitale Technologien“ umgehen und den Einsatz im Alltag mehr hinter fragen. Der Blick wird geschärft. Plötzlich werden einem die vielen Bereiche bewusst, in der Lifelogging auftaucht. Ist es wirklich nötig, sich ein digitales Gedächtnis anzuschaffen? Hat die digitale Unsterblichkeit tatsächlich einen Reiz oder ist sie zum Scheitern verurteilt?

Ein Gesicht komplett aus Zahlen aufgebaut weist darauf hin, wie sehr uns eine Datenfülle zur eigenen Person beeinflussen und verändern kann. Wir werden zum Spielball der Technologien, zum Forschungsobjekt auf dem Weg zum perfekten Menschen. Machen uns nicht gerade die Fehler, das Vergessen, Verdrängen, die Träume und Wünsche aus? Kritische Literatur hat manchmal einen bitteren Nachgeschmack. Bei „Lifelogging“ ist es völlig anders. Manchmal ist es nötig mit der Nase auf etwas gestoßen zu werden, das sonst völlig an einem vorbei gegangen wäre. Gerade in einer Gesellschaft, die ständigen Veränderungen unterliegt, ist es wichtig, nicht alles kritiklos hinzunehmen, sondern sich wichtigen Themen zu stellen. Einen großen Dank an den Autor für dieses Buch, das so manchem die Augen öffnen wird. Stefan Selke animiert dazu, eine eigene Meinung zu Lifelogging zu bilden. Mehr zum Autor gibt es auf www.stefan-selke.de.