Lifelogging

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kvel Avatar

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Nicht nur für die Riege der Selbstvermesser interessant.

 

Stefan Selke berichtet in dem Sachbuch über das Thema der digitalen Selbstvermessung sowie deren eventuelle Folgen auf den Einzelnen oder unserer Gesellschaft.

 

Er zeigt, dass es viele verschiede Möglichkeiten für die Selbstvermessungs-Willigen gibt: es gibt Apps fürs Abnehmen, zum Kontrollieren der sportlichen Leistungen, Schrittzähler und Kalorienzähler. Alle Programme haben die Möglichkeit die gesammelten Daten übersichtlich aufzubereiten und zum Posten und Teilen.

 

Es gibt auch die Anhänger des Lifelogging, die ihr ganzes Leben mit einer Kamera aufnehmen, um evtl. später in den Daten nach Interessantem zu suchen.
Am krassesten fand ich das Beispiel, dass sich jemand eine Kamera am Hinterkopf befestigen ließ; da sich aufgrund der fehlenden medizinischen Notwendigkeit kein Arzt fand, der die Titanplatten am Hinterkopf als Stativ für die Kamera einsetzen wollte, ließ derjenige die Operation in einem Piercing-Studio durchführen (S. 36).
Damit stellte sich sofort die Frage nach den Persönlichkeitsrechten derjenigen Personen, die "zufällig mitgefilmt" wurden.

 

Über das massenhafte Sammeln / Aufnehmen von Daten / Videos sagt der Autor: "Man muss ein wenig genauer hinsehen, um zu erkennen, dass dabei weniger die totale Erinnerung im Zentrum steht als vielmehr der Wunsch nach totaler Kontrolle. Es geht also nicht darum, ein Gegenmittel gegen das Vergessen zu entwickeln, sondern gegen den Kontrollverlust im Alter aufzubegehren." (S. 55)

 

Außerdem erläutert der Autor, dass man eigentlich eine Menge Anstrengung unternehmen muss, um zu recht simplen Ergebnissen zu kommen: "... auch für die Vermessung des eigenen Körpers die Formel gilt: Je mehr Daten, desto besser. Erst auf der Grundlage vieler Daten sei es möglich, nach Mustern zu suchen. Der Selbstvermesser könnte zum Beispiel entdecken, dass er in 80 Prozent aller Fälle, in denen er in der Mittagspause ein Fleischgericht gegessen hat, nach der Mittagspause 30 Prozent weniger produktiv war. Zudem könne er erkennen, dass an diesen Tagen die Wahrscheinlichkeit, ins Fitnessstudio zu gehen, um die Hälfte sinkt." (S. 79)

 

Auch denkt der Autor weiter und legt seine Befürchtung dar, dass wenn "immer mehr Selbstvermesser vorauseilend Vitaldaten erfassen und diese online zur Verfügung stellen, wird der soziale Druck auf uns wachsen, sich ebenfalls selbst zu vermessen. Am Ende könnte die offizielle und sanktionierte Implementierung von Lifelogging-Verfahren in die Gesundheitspolitik oder die Programme der Krankenkassen stehen. Das wäre das Ende einer solidarischen Gesellschaft." (S. 89)

 

Sehr gut fand ich, dass der Autor allen Fragen nach geht, die ich mir zu diesem Thema ebenfalls gestellt hätte.
Die Ausführungen sind allesamt gut verständlich und nachvollziehbar beschrieben.