Ein Ausflug ins Berlin der späten 20er - interessanter Blick hinter die Kulissen einer besonderen Tanzgruppe

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gluexklaus Avatar

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Wally möchte im Herbst 1928 auch im deutschen Berlin den amerikanischen Swing populär machen und eine Mädchen-Tanzgruppe gründen. Für die „Lindy-Girls“ kann sie schließlich Tänzerinnen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund gewinnen. Ob Wallys Projekt von Erfolg gekrönt sein wird?

Anne Stern erzählt aus verschiedenen Perspektiven in der dritten und ersten Person, so sind die Kapitel immer mit dem Namen der Figur betitelt, um die es im folgenden Abschnitt geht. Das sind neben Wally z.B. auch einige der Lindy Girls und andere Personen aus dem weiteren Umfeld der Gruppe. Der Schreibstil lässt sich angenehm flüssig und leicht lesen.

Die Personenkonstellation ist recht umfangreich. Es geht u.a. um Wally mit ihren Traum von einer Tanzgruppe, die das Publikum begeistert, um die jüdische Fabrikarbeiterin Alice, die wie die bürgerliche Thea Teil der Tanztruppe ist. Für beide bedeuten die Lindy Girls einen Ausbruch aus dem bisherigen Leben, bieten neue Chancen. Dann ist da noch die Sekretärin Gila, die heimlich an einem Roman schreibt, Eintänzer Jo, der immer noch von seinen Erlebnissen als Soldat im Krieg traumatisiert ist, Wallys Geschäftspartner Toni, den mit Wally eine komplizierte Beziehung verbindet und Schaffner Friedrich. Die Einzelschicksale der Figuren werden anfangs noch unabhängig voneinander beschrieben, später werden sie zu einer lockeren Geschichte miteinander verwoben. Da doch recht viele Figuren im Fokus stehen, sind die einzelnen Charaktere nicht sehr ausführlich und gründlich gezeichnet und wirken auf mich als Leserin daher teilweise recht blass und fremd. Für mich wäre es schön gewesen, die Personen etwas genauer kennenzulernen.

„Lindy Girls“ erzählt die Geschichte einer besonderen Tanztruppe im historischen Berlin. Dabei wird Bezug auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse genommen. So ist der Roman auch ein Sittenbild der damaligen Gesellschaft, beleuchtet die Rolle der Frau zu dieser Zeit. Die einzelnen Handlungsstränge sind überwiegend recht lose miteinander verbunden. Das Erzähltempo ist eher ruhig mit wenig Spannung, zum Schluss nimmt die Geschichte allerdings Fahrt auf.
Die Autorin beschreibt die Lebensumstände ihrer Figuren, weist auf Probleme und Konflikte hin. Sie schafft eine spezielle Atmosphäre, lässt ihre Leser fast wie live an den Tanzshows der Lindy Girls teilhaben. Echte Emotionen werden dabei aber leider nicht transportiert. Ich hätte mir gewünscht, etwas intensiver mit den Figuren mitfiebern zu können. Dennoch ein interessanter, lesenswerter Blick hinter und auf die Kulissen einer längst vergangenen Zeit.