Berlins humorigste WG

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Gestatten: Berlins lustigste, ausgeglichenste und zugleich rührendste WG, von ständiger Geldnot bedroht aber nach dem Motto „Wenn wir untergehen, dann mit Stil.“
Die Bewohner der Damaschkestraße 36, Berlin-Charlottenburg, Altbauwohnung mit Stuckdecken, sind Liselotte Günther, 82-jährige flotte Witwe, Barbara Nowak, fleißige wenn auch schwangere Jura-Studentin aus Bottrop, und Dimitrios Galanis, Inselgrieche und, wie sich bestätigt, nicht nur gefühlter Deutscher, griechischer und bald auch deutscher Steuerrechtsexperte.
In kurzweiliger, liebevoller Manier beschreibt Florian Herb, auf welche Weise und aufgrund welcher Umstände sich die Protagonisten seines launigen Romans in Berlin begegnen und zu einer eingeschworenen Gemeinschaft werden.
Liselotte, die rüstige alte Dame die gerade erst überraschend Witwe geworden ist und damit so gar nicht zurechtkommen will, da ihr Franz-Ferdinand doch nach dem Krieg geschworen hatte immer für sie da zu sein und nicht vor ihr zu sterben, findet sich plötzlich mit dem täglichen Leben nicht mehr zurecht. Schließlich hatte ihr Mann sie jahrzehntelang auf Händen getragen, ihr jede Entscheidung und Last, sei es Einkäufe, Hausputz oder Finanzen, abgenommen, so dass ihr erschreckend klar wird, dass ihre einzige Lebensleistung wohl wirklich darin bestand, Kleidergröße 38 zu halten, sich Designerkleidung zu leisten, internationale Frauenzeitschriften zu lesen, Stammkundin im KaDeWe zu sein und einmal im Jahr auf Sylt Urlaub zu machen. Doch Liselotte wäre nicht die Berliner verwöhnte Zicke – oder Dame, wie man möchte – wenn sie sich nicht elegant zu helfen wüsste. Eine Gesellschafterin muss her, die nebenbei auch noch den Haushalt schmeißt. Gegenleistung: Ein möbliertes Zimmer in Liselottes Altbauwohnung mit geringer Miete.
Auch die Jurastudentin Barbara meldet sich auf Liselottes Aushang, da sie gerade von ihren drei flippigen Mitbewohnerinnen vor die Tür gesetzt wurde. Sie übersteht als Einzige Liselottes ausgeklügeltes wie irrwitziges aber originelles Bewerber-Casting, da sie nicht nur einen klugen Kopf sondern auch geschickte, fleißige Hände hat und sich für Hausarbeit nicht zu schade ist. Kurzzeitig befürchtet Barbara obdachlos zu werden da sie entdeckt, dass sie nach einem One-Night-Stand schwanger ist und nur den Vornamen des Kindsvaters kennt. Liselotte, durch Barbara dem Erledigen des Haushalts wieder näher gerückt, bietet sich jedoch als Leihoma an und gibt Barbara Zuversicht. Jedoch währt auch dieses Idyll nicht lange, denn Unheil kündet sich in Person des schwäbischen Hausbesitzers Held an, der Liselotte gerne als Miteigentümerin ausbooten würde. Aber nicht mit Liselotte, die beschließt die Sanierungskosten zu ihrem Anteil zu übernehmen. Leider hat Liselotte aber übersehen, dass man im täglichen Leben auch Rechnungen zahlen muss. Ohne die vernünftige Barbara, die sie fortan in den Supermarkt und zum Second Hand Laden schickt, wäre die alte Dame in der Tat ruiniert gewesen. Da die Bank weder einer 82-jährigen noch einer schwangeren Studentin einen Kredit gibt, muss also ein dritter Mitbewohner her.
Diesen findet Barbara zufällig in der Universitätsbibliothek. Dimitrios Galanis, nach einem Geständnis seiner Mutter aus Athen nach Berlin gereist, am Zoll seiner Ersparnisse entledigt und nur mit seinen griechischen Zeugnissen bewaffnet, erscheint den beiden Frauen als vermeintlicher Geldsegen. Doch auch er ist nicht kreditwürdig. Allerdings gelingt es ihm, zunächst illegal seine griechischen Landsleute steuerrechtlich zu beraten. Als Seelenverwandter Barbaras was Fachlichkeit betrifft, gelingt es ihm leicht, den ein oder anderen Euro zu verdienen – den Liselotte in ihrer naiven Art auch gerne wieder sorglos verprasst. Erst ein anderer Mann kann die flotte WG retten, einer, von dem es niemand erwartet hatte.
Der richtige Urlaubs-Lesespaß. Heiter, nachdenklich, menschlich, verrückt und wunderbar zugleich. Man darf keine dramatisch-literarischen Wendungen erwarten, wird jedoch aufgrund der Leichtigkeit und dem Erfindungsgeist der WG bezüglich schwerwiegender Probleme nicht enttäuscht. Man kann diesen Roman „in einem Rutsch“ durchlesen und fühlt sich danach vergnügt und beschwingt.