Wilder Wahnsinn und cleverer Charme
“Vergesst die Geschichten, die euch dazu ermutigen, gut zu sein, euch raten, in einer dreckigen Welt zu glänzen und euer Leid geduldig zu ertragen. Scheiß auf das Leiden. Es viel zu schwer, gut zu sein. Nehmt lieber den leichten Weg. Werdet böse. Ergreift mit euren blutbefleckten Händen, was immer euer gieriges Herz begehrt.”
Okay, okay, okay… Dieses Buch war ein wilder Ritt. Einerseits hat man hier einen wirklich verrückten, originellen Plot, der durch noch verrücktere Charaktere vorangetrieben wird, sodass man sich zeitweise fragt, wo zum Teufel man hier gelandet ist… und andererseits gibt es zwei Meta-Ebenen, die zusätzlich zur offensichtlichen Geschichte eine Rolle spielen: Raes reales Leben, in dem sie krebskrank ist und im Sterben liegt, und das originale “Zeit des Eisens”, bevor Rae in die Geschichte geworfen wird. Wenn das nicht die perfekte Grundlage für ein großartiges Isekai-Fantasy-Abenteuer ist, dann weiß ich auch nicht.
Das Cover ist definitiv kein typisches Fantasy-Roman-Cover, aber “Long Live Evil” ist auch kein typischer Fantasy-Roman. Der etwas anarchistisch-rebellische Touch passt perfekt zum überdrehten Fantasy-Satire-Ton des Buchs.
Ich habe anfangs etwas Zeit gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden und mich wirklich auf sie einzulassen. Gerade zu Beginn haben Raes moderne Ausdrucksweise, ihre Popkultur-Referenzen und Meta-Überlegungen zur Story, allein die Tatsache, dass sie ihren Leibwächter und ihre Zofe offen als Schurken oder Schergen bezeichnet, einige Cringe-Momente bei mir ausgelöst und ich befürchtete schon ein solides 2-3-Sterne-Leseerlebnis. Dadurch, dass die Charaktere im Buch Raes untypischen Sprech viel zu leichtfertig abtun oder vollkommen ignorieren, fühlte es sich für mich zu unglaubwürdig und konstruiert an. Ich weiß, wir reden hier über Fantasy, aber trotzdem! Wer sich beim Lesen ähnlich fühlt, sollte sich davon allerdings nicht abschrecken lassen. Erstens wird es mit der Zeit besser und zweitens passt es ins Buch hinein. Denn einerseits spielt es eine große Rolle, was wir glauben zu sehen beziehungsweise was wir sehen wollen. Das gilt für die Figuren in Zeit des Eisens, aber auch für Rae, die sich aufgrund ihrer Erkrankung und ihres Verhaltens von allen außer ihrer Schwester im Stich gelassen fühlt. Die sich selbst als Schurkin sieht und in gewisser Weise aufgrund ihrer teils egozentrischen Art auch eine Schurkin ist.
Und andererseits hatte ich den Eindruck, dass Rae ihr albernes Verhalten im Laufe der Handlung und mit schrumpfender Distanziertheit zur Geschichte und allen Charakteren auch immer weiter abbaut. Wie Rae wird man als Leser tiefer und tiefer in die Story hineingesogen. Nach einem Fünftel des Buchs konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen und habe es innerhalb von zwei Tagen komplett verschlungen. Und danach habe ich den Anfang und das Ende nochmal gelesen, was ich sonst bei Büchern, die ich gerade erst gelesen habe, eher selten tue. ;)
Neben Raes Perspektive, können wir vereinzelt auch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt weiterer Charaktere, wie die der axtschwingenden Zofe oder der rechtschaffenen Letzten Hoffnung erhaschen. Das ganze Ensemble-Cast ist großartig und jeder auf seine Art eigentlich auch ein bisschen schurkisch. Großartig fand ich auch die flamboyante Kobra und emanzipierte Prinzessin Vasilisa - wobei alle weiblichen Charaktere in Long Live Evil ziemlich Badass sind. Und natürlich Key - der einen trotz seiner mörderischen Art so oft zum Schmunzeln oder Lachen bringt, dass er mühelos zu einem meiner Lieblingscharaktere des Buchs geworden ist.
“High Five”, schlug Rae vor.
Keys Grinsen wurde noch schiefer. “Ich hab keine Ahnung, was das bedeuten soll.”
Rae hielt schon eine Hand hoch. “Schlag dagegen.”
“Wie fest?”, fragte Key pflichtbewusst. “Soll ich sie brechen?”
Bei seiner Frage schrak Rae zurück. “Nein! Berühr meine Handfläche mit deiner. Aber sanft. Ganz sanft!”
Ist Long Live Evil perfekt? Sicher nicht. Ist es etwas für jeden? Auch wieder nein. Ist es ein Buch, bei dem man ohne schlechtes Gewissen für die Bösen rooten kann? Definitiv! Es geht um Einsamkeit, Menschlichkeit, den Glauben an sich selbst und an andere… Und es steckt meiner Meinung nach sehr viel mehr Cleverness in dieser unterhaltsamen, überdrehten Schurkengeschichte, als man auf den ersten Blick erkennt. Meinem Gefühl nach ist auch Raes Charakterentwicklung am Ende des Buchs noch längst nicht abgeschlossen, weshalb ich es kaum erwarten kann, ihre Geschichte in den nächsten Bänden weiterzuverfolgen! Es steckt noch so viel Potential in der Story und nachdem das Setting jetzt gesetzt ist, kann ich mir gut vorstellen, dass der nächste Teil nochmal um einiges ernster und tiefgründiger wird. Ich hoffe definitiv auf eine wunderschöne Tragödie!
Und hier noch ein paar meiner Lieblingszitate aus dem Buch für alle, die immernoch nicht überzeugt sind:
“Sie warf einen Blick über ihre Schulter und begegnete dem seinen. Er wirkte erschrocken, als hätte ihn nie zuvor jemand als sicheren Hafen angesehen.”
“Es gibt nur eine Art von Ehre!”
“Das ist Ansichtssache. Oder denkst du etwa, es würde nur eine Ansicht zählen? [...] Ist ein Charakter denn nicht das, was einen ausmacht, wenn niemand da ist, um einen zu sehen?”
“Was ist Realität anderes als etwas, das uns wirklich beeinflusst? Wenn genug Leute etwas glauben, wird es dann nicht real?”
Okay, okay, okay… Dieses Buch war ein wilder Ritt. Einerseits hat man hier einen wirklich verrückten, originellen Plot, der durch noch verrücktere Charaktere vorangetrieben wird, sodass man sich zeitweise fragt, wo zum Teufel man hier gelandet ist… und andererseits gibt es zwei Meta-Ebenen, die zusätzlich zur offensichtlichen Geschichte eine Rolle spielen: Raes reales Leben, in dem sie krebskrank ist und im Sterben liegt, und das originale “Zeit des Eisens”, bevor Rae in die Geschichte geworfen wird. Wenn das nicht die perfekte Grundlage für ein großartiges Isekai-Fantasy-Abenteuer ist, dann weiß ich auch nicht.
Das Cover ist definitiv kein typisches Fantasy-Roman-Cover, aber “Long Live Evil” ist auch kein typischer Fantasy-Roman. Der etwas anarchistisch-rebellische Touch passt perfekt zum überdrehten Fantasy-Satire-Ton des Buchs.
Ich habe anfangs etwas Zeit gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden und mich wirklich auf sie einzulassen. Gerade zu Beginn haben Raes moderne Ausdrucksweise, ihre Popkultur-Referenzen und Meta-Überlegungen zur Story, allein die Tatsache, dass sie ihren Leibwächter und ihre Zofe offen als Schurken oder Schergen bezeichnet, einige Cringe-Momente bei mir ausgelöst und ich befürchtete schon ein solides 2-3-Sterne-Leseerlebnis. Dadurch, dass die Charaktere im Buch Raes untypischen Sprech viel zu leichtfertig abtun oder vollkommen ignorieren, fühlte es sich für mich zu unglaubwürdig und konstruiert an. Ich weiß, wir reden hier über Fantasy, aber trotzdem! Wer sich beim Lesen ähnlich fühlt, sollte sich davon allerdings nicht abschrecken lassen. Erstens wird es mit der Zeit besser und zweitens passt es ins Buch hinein. Denn einerseits spielt es eine große Rolle, was wir glauben zu sehen beziehungsweise was wir sehen wollen. Das gilt für die Figuren in Zeit des Eisens, aber auch für Rae, die sich aufgrund ihrer Erkrankung und ihres Verhaltens von allen außer ihrer Schwester im Stich gelassen fühlt. Die sich selbst als Schurkin sieht und in gewisser Weise aufgrund ihrer teils egozentrischen Art auch eine Schurkin ist.
Und andererseits hatte ich den Eindruck, dass Rae ihr albernes Verhalten im Laufe der Handlung und mit schrumpfender Distanziertheit zur Geschichte und allen Charakteren auch immer weiter abbaut. Wie Rae wird man als Leser tiefer und tiefer in die Story hineingesogen. Nach einem Fünftel des Buchs konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen und habe es innerhalb von zwei Tagen komplett verschlungen. Und danach habe ich den Anfang und das Ende nochmal gelesen, was ich sonst bei Büchern, die ich gerade erst gelesen habe, eher selten tue. ;)
Neben Raes Perspektive, können wir vereinzelt auch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt weiterer Charaktere, wie die der axtschwingenden Zofe oder der rechtschaffenen Letzten Hoffnung erhaschen. Das ganze Ensemble-Cast ist großartig und jeder auf seine Art eigentlich auch ein bisschen schurkisch. Großartig fand ich auch die flamboyante Kobra und emanzipierte Prinzessin Vasilisa - wobei alle weiblichen Charaktere in Long Live Evil ziemlich Badass sind. Und natürlich Key - der einen trotz seiner mörderischen Art so oft zum Schmunzeln oder Lachen bringt, dass er mühelos zu einem meiner Lieblingscharaktere des Buchs geworden ist.
“High Five”, schlug Rae vor.
Keys Grinsen wurde noch schiefer. “Ich hab keine Ahnung, was das bedeuten soll.”
Rae hielt schon eine Hand hoch. “Schlag dagegen.”
“Wie fest?”, fragte Key pflichtbewusst. “Soll ich sie brechen?”
Bei seiner Frage schrak Rae zurück. “Nein! Berühr meine Handfläche mit deiner. Aber sanft. Ganz sanft!”
Ist Long Live Evil perfekt? Sicher nicht. Ist es etwas für jeden? Auch wieder nein. Ist es ein Buch, bei dem man ohne schlechtes Gewissen für die Bösen rooten kann? Definitiv! Es geht um Einsamkeit, Menschlichkeit, den Glauben an sich selbst und an andere… Und es steckt meiner Meinung nach sehr viel mehr Cleverness in dieser unterhaltsamen, überdrehten Schurkengeschichte, als man auf den ersten Blick erkennt. Meinem Gefühl nach ist auch Raes Charakterentwicklung am Ende des Buchs noch längst nicht abgeschlossen, weshalb ich es kaum erwarten kann, ihre Geschichte in den nächsten Bänden weiterzuverfolgen! Es steckt noch so viel Potential in der Story und nachdem das Setting jetzt gesetzt ist, kann ich mir gut vorstellen, dass der nächste Teil nochmal um einiges ernster und tiefgründiger wird. Ich hoffe definitiv auf eine wunderschöne Tragödie!
Und hier noch ein paar meiner Lieblingszitate aus dem Buch für alle, die immernoch nicht überzeugt sind:
“Sie warf einen Blick über ihre Schulter und begegnete dem seinen. Er wirkte erschrocken, als hätte ihn nie zuvor jemand als sicheren Hafen angesehen.”
“Es gibt nur eine Art von Ehre!”
“Das ist Ansichtssache. Oder denkst du etwa, es würde nur eine Ansicht zählen? [...] Ist ein Charakter denn nicht das, was einen ausmacht, wenn niemand da ist, um einen zu sehen?”
“Was ist Realität anderes als etwas, das uns wirklich beeinflusst? Wenn genug Leute etwas glauben, wird es dann nicht real?”