Lieb mich!

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In Youngs Leben dreht sich alles um die Männer. Als homosexueller junger Kerl lebt er in der koreanischen Metropole Seoul und versucht sich in seiner eigenen Existenz irgendwie einzurichten. Halt gibt ihm seine beste Freundin Jaehee, mit der er zeitweilig auch gemeinsam in einer klitzekleinen Wohnung lebt. Als diese ihren Freund heiratet, driften ihre Leben auseinander. Young taumelt von einer Kurzzeitaffäre in die nächste, immer im Hintergrund: seine tief religiöse Mutter, die nach mehreren Erkrankungen erneut gegen den Krebs kämpft und der sich Young noch immer nicht offenbart hat. Wenigen Männern gelingt es, sein Herz zu berühren. Da ist einer, der es fast schafft, obwohl dieser nicht nur einige Jahre älter als Young ist, sondern auch mit seiner eigenen Homosexualität kaum klarkommt. Schließlich gibt es Gyu-Ho, die stille Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft, an die Young schon fast nicht mehr zu glauben scheint...

„Manchmal ist er für mich nichts anderes als ein Synonym für Liebe. Mit Bestimmtheit zu zeigen, dass es ihn gibt, davon zu sprechen, dass er wirklich existiert, bedeutet für mich auch, zu beweisen, dass es die Liebe wirklich gibt“ (S. 251)

In Korea war „Love in the Big City“ ein unglaublicher Erfolg, ein Buch, das rasend schnell Kultstatus erreichen konnte. Sang Young Park bildet dabei eine Generation ab, die sich im Dazwischen von westlicher und asiatischer Prägung verloren fühlt. Sein Protagonist – autofiktional mit großer Nähe zum Autoren selbst – lebt seine Freiheiten und weiß dennoch nichts mit sich und seinem Leben anzufangen. Er sehnt sich nach Geborgenheit und Vertrautheit. Leider trudelte die Story für mich ähnlich wie das Ich literarisch eher wie ein laues Lüftchen durch die Seiten...

Die vier Teile, in die „Love in the Big City“ aufgesplittet ist, befassen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Leben Youngs: Zu Beginn, noch recht geordnet, spüren wir in seine Lebensrealität mit Jaehee hinein, entdecken mit ihm gemeinsam das queere Korea, die Möglichkeiten und Angebote. Doch schon im zweiten Teil spielt seine „beste Freundin“ Jaehee keine Rolle mehr, taucht nur noch kurz mal am Rande auf, wird abgelöst von Erzählungen über Youngs „Langzeitbeziehungen“ und einer wirren, immer wieder herumspringenden Chronologie. Kernproblematiken, die er erzählerisch anstößt, laufen ins Leere und werden abgelöst von einem neuen, wenige Seiten umfassenden Tagtraum. Wenn es das Ziel des Autoren gewesen ist, dass sich seine Leser*innen genauso verloren fühlen wie sein Protagonist, ist ihm das durchaus gelungen. Was sich nach der Lektüre jedoch massiv einstellt, ist die Frage nach dem Mehrwert. Vielleicht liegt es am westlichen Leseblick, beobachtet und beurteilt aus einer Perspektive, in der Queerness noch immer marginalisiert wird, die aber im Alltag eine höhere Repräsentation und Präsenz erfährt, als es in Korea vermutlich der Fall ist. Und dennoch: Die Geschichte, die uns Park erzählt, kommt zu keinem Punkt, streift immer wieder interessante und vielversprechende Thematiken und bleibt dennoch seltsam blass. Den von Brandon Taylor auf dem Buchrücken geblurbten „Tumult“ konnte ich in der Lektüre leider kaum spüren; vielmehr stellte sich nach und nach mehr Lethargie und die Frage nach dem „Warum?“ ein...

Mit Sicherheit ist die Rezeption im kulturell anders geprägten Korea für den Erfolg von „Love in the Big City“ unbedingt mitzudenken und lässt diesen vor dem Hintergrund verständlich werden. Mein eigenes Leseerlebnis war leider dominiert von einem zunehmenden Maß an Frustration ob der sprachlichen wie auch erzählerischen Qualitäten, die dieser Roman bei mir als Eindruck hinterlassen hat. Das finde ich sehr schade, wollte ich „Love in the Big City“ doch unbedingt mögen. Vielleicht gebe ich einem möglichen Folgewerk von Park noch einmal eine Chance...