Wie man erwachsen wird

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Inhalt
Der junge Koreaner Young lebt zwischen Hörsaal/Wehrdienst/Berufsleben, seiner krebskranken Mutter, der Partyszene und seinen zahlreichen losen Männerbekanntschaften in der großen Stadt Seoul. Jede Nacht feiern und trinken, jede Nacht ein neuer Kerl. Bis seine beste Freundin Jaehee, mit der er bisher alles geteilt hat, beschließt zu heiraten und sesshaft zu werden. Obwohl er das zunächst konsequent ablehnt, fragt er sich bald, ob nicht auch er mit einer dauerhaften Beziehung im Leben ankommen sollte. Aber ist das überhaupt etwas für ihn?


Meinung
Sang Young Park hat einen Roman geschrieben, wie er besser in die heute Zeit nicht passen könnte. Dabei spielt es vordergründig keine Rolle, wo die Handlung spielt, der Autor hat eine Geschichte geschrieben, die überall auf der Welt verstanden wird.
Der Roman ist in vier Teile gegliedert; je eine Kurzgeschichte, die der Ich-Erzähler selbst immer wieder schreibt. Sie spielen in unterschiedlichen Lebenssituationen des Erzählers und sollen vermutlich Arten der Liebe oder Arten von Beziehungen darstellen, was diverse (größere) Zeitsprünge erklären würde.
Im ersten Teil ist eindeutig seine beste Freundin sein Lebensmittelpunkt, mit ihr teilt er alles, er wohnt sogar mit ihr zusammen (in Korea für Unverheiratete nicht selbstverständlich). Sie besorgt ihm seine geliebten Beeren, er ihr die geliebten Zigaretten. Als sie heiratet, kommt das für ihn einer Katastrophe gleich und tatsächlich sieht man sie später nur ein einziges Mal noch, sie verschwindet leider sang- und klanglos.
Er kümmert sich aufopferungsvoll um seine Mutter, die schwer an Krebs erkrankt ist. Die hochgläubige Frau, die mit seiner Homosexualität nicht zurechtkommt, und er verbringen viel Zeit miteinander. Er hat einiges, was er ihr vorwerfen kann, tut es aber lange Zeit nicht. Währenddessen trifft er sich regelmäßig mit einem älteren Mann, dessen Fehler ihm schnell ins Auge gehen, von dem er sich jedoch nicht zu lösen vermag. Es endet wie es begann: katastrophal.
Männer kommen und gehen, bis es passiert. Krankheit tritt in sein Leben, er nennt sie „Kylie“ und hat es mit Medikamenten gut im Griff. Einmal zu oft dem Falschen vertraut? Er lässt sich dennoch auf eine Beziehung ein, liebt trotz aller Schwierigkeiten, lebt, arbeitet und schreibt. Kylie zeichnet sein Leben stets in den ungünstigsten Momenten.
Sang Young Park schreibt offen und ungekünstelt, sogar oft recht derb und salopp. Manchmal hakt es etwas, was aber vermutlich an der Übersetzung liegt, die sich erst im hinteren Teil des Buches glatter liest. Die Ich-Figur ist direkt, urteilt vorschnell und kommt nicht immer sehr sympathisch rüber. Sie liebt Serien wie „Friends“ hört viel Pop, mag Murakami nicht und lebt zunächst stark oberflächlich. Auch beruflich kristallisiert sich keine bestimmte Richtung heraus, einige Jobs kündigt er wegen der Pflege der kranken Mutter, andere weil sie ihn nicht weiterbringen. Nur das Schreiben begleitet ihn – und die Liebe in all ihren Facetten.
Wer einen typisch koreanischen Roman in eben diesem Setting erwartet, wird enttäuscht sein, davon ist in der Tat nur wenig zu sehen. Ob das daran liegt, dass Großstädte weltweit immer unpersönlicher, kulturell reicher, größer, aber leider auch oberflächlicher werden, vermag ich nicht zu beurteilen. Damit wäre „die Stadt“ nämlich in der Tat austauschbar.
Insgesamt ist „Love in the Big City“ wie das Bild einer Generation, die sich irgendwie zwischen zwei Welten bewegt, einer eher traditionellen und einer neuen Moderne, die sich selbst noch nicht ganz gefunden hat und von der noch niemand weiß, wo sie einst hinführen wird.