Über zweite Chancen oder: Jeder sucht sein Stück vom Glück

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marionhh Avatar

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Gabriel Bach schreibt unter dem Namen Henri Fjord sehr erfolgreiche Liebesromane. Leider befindet er sich zurzeit im einer Sinn- und Schaffenskrise und würde am liebsten alles hinschmeißen. Ein roter Luftballon mit einer rührenden Botschaft berührt ihn dermaßen, dass er beschließt, dem Kind zu helfen und es kennenzulernen. Die kleine Luzie und ihre Mutter ziehen ihn dermaßen in ihren Bann, dass er unter falscher Identität mehr und mehr an ihrem Leben teilhaben will und sich immer mehr in seinem Lügenkonstrukt verstrickt.

Gefühlvolle Familien- und sanfte Liebesgeschichte, die zwischendurch ein paar Längen aufweist, sich aber gut lesen lässt und ein humorvolles und romantisches Happy End darbietet. Es wird recht viel geweint, ob aus Trauer, Wut, Zorn, Trotz oder auch Rührung und Erleichterung, und besonders Miriam ist nah am Wasser gebaut. Die Liebesgeschichte entspinnt sich zart und leise und spielt in meinen Augen eine eher untergeordnete Rolle. Die Hauptgeschichte und die Figur, um die sich alles dreht, ist eindeutig die 7-jährige Luzie. Sie ist Miriams Dreh- und Angelpunkt als ihre Mutter und Gabriels Bindung zu ihr ist die Initialzündung für sein Handeln und die schlussendliche Beziehung zu Miriam.

Sprachlich ist der Roman nicht unbedingt anspruchsvoll, einige Formulierungen wiederholen sich und der Stil selbst ist eher locker-eingängig. In der Mitte des Buches fand ich besonders die seitenlangen Beschreibungen vom Ausflug in den Erlebnispark sehr in die Länge gezogen und alles in allem gibt es viel Kinderkrakeele und Zeit in Miriams Laden. Dennoch gab es humorvolle Momente und solche, die zu Herzen gingen und bei denen die Autorin ihr Gespür für einfühlsame Beschreibungen beweist, wie etwa die Second Hand Kleider, die Geschichten erzählen, oder dem Fest für Luzie.

Die Hauptfiguren mochte ich durchaus, ich konnte aber so einige Reaktionen sowohl von Miriam als auch von Gabriel nicht nachvollziehen. Beide handeln sehr emotional und mitunter auch irrational und bei beiden fand ich einiges überzogen dargestellt. Bei Miriam etwa erschien es mir nicht logisch, dass sie trotz ihrer permanenten Skepsis nicht einmal eher einige Sachen checkt und dass sie ihren eigenen Realitäten gegenüber völlig blind ist. Ihre Meinung zu Gabriel/Ben ist häufig skeptisch, aber auch stinksauer und dann wieder versöhnlich. Über die Auslöser ihrer Sinneswandel war ich mir nicht immer hundertprozentig im Klaren. Auch bei Gabriels Motivation, sich aus seiner Depression heraus plötzlich so dermaßen in Luzies und Miriams Leben förmlich hineinzudrängen und viel Geld hineinzupumpen, erschließt sich einem nicht komplett. Auch ist ihm durchaus klar, dass sein Lügenkonstrukt irgendwann zusammenbrechen muss, als es dann passiert, fällt er jedoch komplett hintenüber. Sehr angetan war ich von einigen Nebenfiguren, besonders von Becka und von Jonathan, Becka gefiel mir durch ihre lebensbejahende Art und Jonathan durch seine Empathie und Vernunft.

Fazit: Wer einen romantischen Liebensroman erwartet, in der Kinder eher eine Nebenrolle spielen, wird enttäuscht werden. Luzie ist der absolute Mittelpunkt, und man muss mögen, dass sich alles um sie dreht. Fakt ist aber, dass die Botschaft, dass nämlich jeder eine zweite Chance verdient hat, dass es viel schöner und gesünder ist, seinen Kummer und besonders seine Freude mit anderen Menschen zu teilen, eine universelle ist. Dies hat die Autorin in einer unterhaltsamen Geschichte schön vermittelt.