Anne Girard: Madame Picasso

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Anne Girard: Madame Picasso

"Sie sah, wie Apollinaire sich ... lebhaft mit Sarah Bernhardt stritt. ... Irgendjemand in ihrer Nähe zitierte gerade mit großen Gesten Verlaine, ein anderer verteidigte das Werk Beaudelaires. Wieder andere Gäste betrachteten die Kunst an den Wänden, während "Alexander´s Ragtime Band", ein feuriges neues Lied eines aufstrebenden jungen Wunderknaben namens Irving Berlin, irgendwo aus einem Victrola-Grammophon ertönte."

Wir befinden uns so pi mal Daumen zwischen dem Titanic-Untergang und der Mitte des Ersten Weltkrieges in Paris.
Wie man an obigem Zitat unschwer zu erkennen vermag, erfreuen wir uns der Gesellschaft von gebildeten Menschen, Künstlern aller Genres und ihren ausgewählten Fans.
Unter ihnen eben auch Pablo Picasso und Marcelle Humbert alias Eva Gouel.
Deren Liebesgeschichte wird hier erzählt. Ansprechend erzählt, wenn man auch dem Buch ein etwas besseres Lektorat hätte angedeihen lassen können, dem beispielsweise auffällt, wenn auf S. 302/303 (eine andere) Marcelle Eva erst duzt und dann wieder siezt. Auch das Cover sagte mir zu und für Backgroundmaterial in Form z. B. von "Anmerkungen" bin ich ohnehin immer zu haben.
Auf die ebenfalls am Buchende befindlichen Vorschläge, über welche durch die Lektüre eventuell entstandenen Fragen ich möglicherweise noch eine Diskussion führen könnte, verzichte ich hingegen mit Freuden. Entweder habe ich Fragen oder nicht. Entweder war das Buch dann zu ungenau oder es war gut und regt mich in sich um Nachdenken und ggfs Googlen an. Aber diese Art von Anregungen erscheinen mir mehr als überflüssig! Andere mögen dies natürlich anders empfinden...
Picasso, von dem ich nur ein recht oberflächliches Durchschnittswissen hatte und dessen mir vor Augen gekommenen Werke mich nur selten überzeugen konnten, entstand in diesem, mich in weiten Teilen an die ebenso interessanten wie geschmeidigen Romanbiografien eines Irving Stone ("Lust for life - Ein Leben in Leidenschaft" - Das Leben des Vincent van Gogh, Bücher über einige der ersten US-Präsidenten, Schliemann, Freud, Jack London, Michelangelo...) erinnernden Buch, für mich als begreifbarer, Sympathie erweckender Mensch.
Am Ende war ich sogar emotional so bewegt, dass mir Tränen kamen.
Ich ergooglete mir weitere Informationen und musste feststellen, dass unsere Titelheldin nicht an einem Krebsleiden (medienwirksam hatte der Maler während des Liebesspiels einen Knoten in ihrer Brust ertastet), sondern an einer Tuberkulose verstorben sein soll. Auch, wenn es sich um einen Roman handelt, eine derartige Abweichung von der Realität irritiert mich. Zusammen mit den erwähnten Lektoratsschwächen und den ebenfalls angesprochenen Denkanstößen führt dies leider zu einem Verlust der sonst gegebenen vollen Punktzahl.
Trotzdem würde ich einem weiteren Buch aus dieser Feder eine Chance einräumen.