Erbe der Matriarchin

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"Für meine Großmutter war Nähe keine relevante Kategorie. Sie hatte kein emotionales Verständnis von Familie, sondern eher ein dynastisches, auch wenn das Wort zu pompös war für den Haufen, den wir darstellten. Sie wies jeder von uns einen Platz und eine Aufgabe zu, und wenn wir diesen Platz einnahmen und die damit verbundene Aufgabe erfüllten, lief alles glatt, wenn nicht, wurden wir aussortiert wie verschlossene Muscheln."

Die Beziehungen in dieser Familie von Frauen, zwischen Müttern und Töchtern, Enkelinnen und Großmutter, Schwestern, Nichten und Tanten, Hausherrin und Angestellter, sind unheimlich eindrücklich charakterisiert.
Über allem die Großmutter, die Matriarchin, die entscheidet, wer welche Rolle zu spielen hat, oder wer keine Rolle spielt, und die nicht nur die Beziehungen aller zu sich selbst kontrolliert und bestimmt, sondern auch die aller anderen untereinander.
Mit dem Tod der Großmutter ist dieses Netz gekappt, und alle Frauen finden sich komplett haltlos wieder, müssen sich neu orientieren und ihre Rollen definieren. Und sie erkennen, wie viel Leid ihnen durch diese familiäre "Stille Post", die Menschen in Thronfolger und Verräter einteilte, zugefügt wurde, "dieses Geraune, wie es mit Stolz und Härte, Scham und Sorge daherkam, wie es unterschiedliche Verkleidungen trug", bei dem auch das vermeintlich goldene Kind nicht unbeschadet davon gekommen ist.

Leider bleiben die Figuren und eine ganze Weile auch die Familienverhältnisse, dadurch dass alle vor allem durch das Epizentrum der Großmutter wahrgenommen werden, eher schwer greifbar. Das ist zwar ein sehr treffendes Symbol für die Dynamik der Charaktere, macht das Einfinden in der Geschichte aber nicht so einfach. Sprachlich ist "Männer sterben bei uns nicht" jedoch großartig formuliert und insgesamt ein spannendes Familienportrait.