Alte Märchen neu erzählt

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owenmeany Avatar

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Durch eine gewisse Prädisposition, die erst gegen Ende des Buchs aufgeklärt wird, gerät die zwölfjährige Filomena in ein Abenteuer zwischen zwei Welten, in denen die von ihr bevorzugte Fantasyreihe eine Rolle spielt. Diese beiden Sphären bereichern und ergänzen einander und sind einfallsreich miteinander verwoben. Dabei amüsiert mich ganz besonders, wie de la Cruz die archaischen Märchenmotive und Episoden mit der frischen, jugendlichen Sprache Filomenas konterkariert in ihrem Pandämonium aus Grimm, 1001 Nacht und Alice im Wunderland.

Differenzierte Charaktere, übersichtliche Spannungsbögen und einfallsreiche Motive und Szenerien erleichterten mir die Lektüre, denn oft stieß mich bei der Fantasieliteratur ab, wie wahllos und willkürlich möglichst sensationelle, aber wackelige Luftschlösser aneinandergepappt werden. Nur die Verse holpern leider ein bisschen, ob das die Autorin selbst oder die Übersetzerin verbrochen hat, sei dahingestellt.

Humor kommt für mich ins Spiel, wo sie die Stories gegen den Strich bürstet und umdeutet, wie zum Beispiel bei den Wölfen, durch die als Motorradgang genauso wie durch die modebewusste Gretel ein moderner Touch ins Spiel kommt.

Die pfiffige Idee, Märchen komplett umzuschreiben, zeigt sich auch in der dem Buch hinzugefügten Leseprobe mit Aschenputtels Schuhen. Wahrhaftig goutieren werden das aber nur Kenner der Märchenwelt, denen sich die Zusammhänge erschließen. Aber wer noch keiner ist, kann noch einer werden, denn schon Bruno Bettelheim stellte fest: "Kinder brauchen Märchen". Sich mit dieser Welt voller Archetypen und engem Bezug zur Psyche zu befassen ist es nie zu spät - und dazu könnte diese Geschichte eine wertvolle Anregung sein. Das Material wird dieser inspirierenden Reihe jedenfalls so schnell nicht ausgehen.