Wärter und Freund

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mammutkeks Avatar

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Christo Brands Buch "Mandela. Mein Gefangener, mein Freund" ist weder Autobiographie noch Biographie, sondern eine umfassende Erinnerung des ehemaligen Gefängniswärters Nelson Mandelas, der inzwischen in der nationalen Gedenkstätte auf Robben Island arbeitet. Brand, 1960 geboren, gehört zu einer Generation weißer Südafrikaner, die das Apartheidsystem intensiv erlebt haben. Aufgewachsen ist er jedoch in einer "gemischtrassigen" Umgebung, was auch sein weiteres Leben geprägt hat. Um dem Wehrdienst zu entgehen, wird er noch als Teenager Gefängniswärter, eine eigentlich wenig lukrative und wenig beliebte Beschäftigung.
Nach seiner Ausbildung kommt er nach Robben Island, auf die berühmt-berüchtigte Gefängnisinsel, die im Meer vor Kapstadt liegt. Und die bereits seit längerer Zeit sehr berühmte Gefangene birgt: Nelson Mandela, Walter Sisulu und Achmed Kathrada, um nur einige der älteren Männer zu nennen, die zu Brands Eintritt in seinen Beruf 1979/80 bereits seit vielen Jahren auf der Insel gefangen gehalten werden. Alles waren sie Führer des ANC, des African National Congress, einer Organisation, die sich bereits seit seiner Gründung im Jahre 1912 gegen rassistische Gesetze und diskriminierende Verfolgung einsetzte.
Brand schildert seine Erfahrungen mit Mandela, Sisulu und Co. relativ emotionslos, es wird aber von vornherein klar, dass er den Männern mit viel Empathie begegnet - sie als gleichwertig ansieht und auch mal gegen Vorschriften verstößt, um die Gefangenschaft einfacher zu machen. So ermöglicht auch Brand es den Gefangenen, ihre Studien durchzuführen und Prüfungen abzulegen. In den Schilderungen geht es jedoch nicht nur um Mandela und seine Versuche, mit den weißen Machthaber über die Beendigung der Apartheid zu verhandeln, sondern auch um die Familiengeschichte Brands selbst, die eng mit Nelson Mandela verwoben ist.
Immerhin wird Brand auch bei der Verlegung von Mandela in Pollsmoor Gefängnis in Kapstadt weiterhin sein Wärter, auch während der Isolationshaft des charismatischen späteren südafrikanischen Präsidenten ist Brand als Gefängniswärter dabei.
Für mich gehören die Initiativen zur Freilassung von Mandela zu den ersten politischen Aktivitäten, die ich bewusst erlebt habe. Mandela gehört auch deshalb zu den frühen politischen Helden in meiner Jugend. Allerdings habe ich mich lange Zeit nicht mehr mit der Geschichte Mandelas und Südafrikas intensiver beschäftigt. Das Buch von Christo Brand hat sicher dazu beigetragen, dies nun doch wieder zu tun. Leider sind ja die Schlagzeilen, die der ANC heutzutage macht, nicht unbedingt dazu angetan, diese Organisation positiv zu sehen. Gab es doch gerade heute wieder Berichte darüber, dass der derzeitige südafrikanische Präsident, Jacob Zuma, wie Mandela Mitglied des ANC, seine prunkvolle Privatvilla mit Steuergeldern finanziert hat.
Gefallen hat mir an Christo Brands Erinnerungen neben der unprätentiösen Sprache auch die Gestaltung des Buches - mit sehr persönlichen Fotos aus der langen Geschichte der Freundschaft zwischen Brand und Mandela. Was mir fehlt, ist eine Chronologie - so auf zwei bis drei Seiten nochmals die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst, wären wirklich schön gewesen.