‚Die Mädchen haben unsere Erwartungen weit übertroffen.'

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sabatayn76 Avatar

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‚Die Mädchen haben unsere Erwartungen weit übertroffen. Sie wären überrascht - ich war es jedenfalls -, wenn Sie wüssten, dass sie ihre Vorzüge haben. Sie sind kleiner und wendiger. Sie kommen in jeden Winkel. Und die Hausarbeit sorgt für Fingerfertigkeit, all das Stricken und Nähen, Sockenstopfen, Gemüseschnippeln ...‘ (Track 96)

Anna Kerrigan lebt zusammen mit ihrer Mutter Agnes, ihrem Vater Eddie und ihrer behinderten Schwester Lydia in den 1930er Jahren in New York. Als ihr Vater, der vom Waisenkind zum wohlhabenden Mann aufgestiegen, im Zuge des Börsenkrachs sozial und finanziell wieder abgestürzt ist und sich aus Not möglicherweise mit den falschen Leuten eingelassen hat, eines Tages spurlos verschwindet, wird die 19-jährige Anna zur Alleinversorgerin für sich, ihre Mutter und Lydia. Sie arbeitet in einer Werkstatt in der Marinewerft, der Brooklyn Naval Yard, prüft dort Teile für Schlachtschiffe. Doch sie träumt von einem Leben als Taucherin, einem Beruf, der normalerweise nur Männern vorbehalten ist.

Mir hat der Einstieg ins Buch sehr gut gefallen, doch kurz darauf konnte mich das Buch deutlich weniger fesseln, so dass ich beim Hören/Lesen immer wieder mit meinen Gedanken abgeschweift bin, Passagen wiederholt lesen/hören musste. Erst der Sprung in die 1940er Jahre, als die nunmehr 19-jährige Anna ihre Arbeit in der Marinewerft aufnimmt und mit ihrer neuen Freundin Nell das New Yorker Nachtleben entdeckt, konnte mich richtig begeistern, da die Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan die Stimmung in der Schiffswerft und in den New Yorker Clubs stimmungsvoll schildert und den Leser dadurch glaubhaft in die 1940er Jahre versetzt.

Auch im weiteren Verlauf haben sich diese packenden Passagen, in denen der Leser mehr über den Alltag in den USA der Kriegsjahre erfährt, mit solchen abgewechselt, die ich als zu abschweifend empfand. Meiner Meinung nach hat Autorin mit ihrem Buch zu viel gewollt, zu viele Themen angeschnitten und ihren Roman damit überfrachtet. Zwar ist der gemeinsame Nenner die Emanzipation Annas, aber für mich waren die vielen Abzweigungen und Nebenschauplätze eher ein Grund, warum ich die Geschichte nicht immer stringent erzählt und bisweilen zu langatmig fand.

Alles in allem hat mir der Roman, der von Nina Kunzendorf auf angenehme Weise gelesen wird, jedoch gut gefallen. ‚Manhattan Beach‘ zeigt am Beispiel von Anna, wie stark sich das Leben von Frauen in den 1930er und 1940er Jahren geändert hat, und berichtet auf einfühlsame Weise davon, wie Anna ihren Traum unerbittlich verfolgt hat, um das Leben zu leben, das sie sich wünscht, auch wenn es nicht den gängigen Konventionen entsprach.