zwiegespalten...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
friedchn Avatar

Von

In ihrem Buch "Manifesto - Warum ich niemals aufgebe" schreibt Bernardine Evaristo über ihre Familienhistorie und wie sie zu ihrer Identität Authentizität fand.
Sie meisterte die Herausforderung, sich als Individuum in einer Großfamilie mit 7 Geschwistern zu finden und mit der Vernachlässigung des Vaters Frieden zu schließen und betrachtet gewalttätige und rassistische Vorkommnisse und Familienmitglieder sehr gnädig und ist bereit, Fehlverhalten zu vergeben.

Der Teil des Buches, in dem sie von ihrer Lebensgeschichte berichtet, hat mir sehr gut gefallen! Danach folgten allerdings Passagen, die mir weniger zugesagt haben und die sich für mich unstimmig angefühlt haben.
Die Autorin erzählt viel über ihre literarischen Schreibprozesse und bricht dabei - und auch im späteren Teil, in dem sie erklärt, wie sie mit Ablehnung umgeht - mit ihrem eigentlichen Stil und schreibt etwas, das sich mehr wie ein seichter Ratgeber als wie ein Memoir liest. Ihr Ratschläge zum Thema "einfach niemals aufgeben" sind dazu nicht sonderlich konkret und grenzen für mich leider an toxischer Positivitätskultur.

Dazu kommen leider noch einige sprachliche Aspekte, die ich als sehr störend empfunden habe:
(TW: rassistische, ableistische Beleidigungen)

Leider werden im Buch rassistische Beleidigungen wie das N-Wort ausgeschrieben.
In der Bezeichnung ihrer gewalttätigen Expartnerin als DDD ("Die Durchgeknallte Domina") werden Diskriminierung von Sexworker*innen und Ableistische Sprache und damit Vorurteile gegen die Betroffenen reproduziert.
Das ist unnötig, diskriminierend und nicht einmal eine treffende Beschreibung, da die Frau weder als Domina arbeitet(e), noch (zumindest nicht beschrieben) psychisch erkrankt ist. An anderen Stellen im Buch hat die Autorin Figuren einfach nur bei ihren Initialen genannt, das hätte ich mir hier auch gewünscht.

Desweiteren schreibt Evaristo "Obwohl ich eigentlich nicht zu Depressionen neige, hätte ich mich ihnen wohl doch ergeben" als wären psychische Erkrankungen eine Charakterschwäche oder eine aktive Entscheidung, was sie nicht sind. Solche Aussagen tragen leider massiv zur Stigmatisierung von mentalen Erkrankungen bei.

Insgesamt bin ich eher etwas gespalten. Teile des Buches fand ich sehr gut, andere leider absolut nicht.