Das Schicksal einer Familie im System des geteilten Deutschlands – Die Töchter sind dran

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bigz Avatar

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Margo und ihr Mann Henri leben in der BRD, zu einer Zeit, in der es noch zwei Deutschland gibt. Sie ist berufstätig, in den 1960er Jahren von der Gesellschaft eher negativ gesehen, und sie hat eine Tochter, Leonore. Diese wächst somit in einer eher ungewöhnlichen Familienkonstellation auf. Die Mutter ist beruflich nahezu ununterbrochen gefordert. Der Vater, ein Richter, der zu einem großen Teil zuhause arbeiten kann, kocht, kümmert sich um den Garten und versorgt das Kind. Leo rebelliert früh, ohne das es die Eltern wirklich wahrnehmen, geht nach London in der Zeit der freien Liebe, studiert dann in Frankfurt und stellt ihren Eltern irgendwann einen Mann vor. Dort, in ihrem ehemaligen Elternhaus, ist gerade, wie sie überrascht feststellt, eine junge Frau und ihre kleine Tochter Jana zu Besuch. Die Frau nennt sich Gisela und wurde von der BRD aus Ostdeutschland freigekauft, aus dem Gefängnis. Am nächsten Tag ist diese Gisela dann verschwunden und das Kind hat sie zurückgelassen. Leo heiratet ihren Alexander und die beiden adoptieren das Mädchen. Was wir dann hier lesen, ist die 'Geschichte der Töchter', zweier Frauen, die von Familie und jeweiligem politischem System geprägt, dafür einstehend oder sich auch dagegen auflehnend, ihren Weg gehen oder besser gesagt, versuchen, das ihnen aufgebürdete Schicksal zu meistern.
All die Menschen, die sich dabei rechts und links des Weges einbinden in diese Leben, sind Teil einer hautnah und packend geschaffenen Echtzeit, mal sehr unmittelbar in den innersten Beziehungsbereich hinein, mal als politische und berufliche Beigaben in der Auseinandersetzung und dem Abarbeiten an dem System des zweigeteilten Deutschlands und dem Kurs des kalten Kriegs in einem sehr festgefahrenen Ost-West-Gefüge.
Mich hat dieses Buch wirklich umgehauen und ganz schön mitgenommen dazu. Die Prägnanz und Authentizität der Schilderung dieser als aktuelle Geschichte zu bezeichnenden Zeit, die Detailgenauigkeit im kleinen und dann auch im großen politischen Handeln, festgemacht an einer Handvoll Personen, die sehr eng und manchmal doch so weit voneinander entfernt, hier ihr Leben durchschreiten, das hat mich wirklich gepackt. Hier stimmt einfach alles, auch in den Feinheiten dazwischen, egal ob linksgerichtete Zeitungsredaktion oder Abhängigkeitskonstellation im Stasisystem zwischen Führungsoffizier und staatstreuem weiblichem Agent. Nie hätte ich gedacht, das dieses Buch einen solch herausragenden und packenden Roman zur deutsch-deutschen Geschichte in sich trägt. Also ich kann 'Margos Töchter' absolut empfehlen, auch oder gerade für Leser, die sich bisher noch eher wenig in die neuere deutsche Geschichte vertieft haben und für die dies alles z.B. aufgrund ihres jüngeren Alters nie persönlich relevant und wirklich nah war.