Deutsch-Deutsche Geschichte am Beispiel zweier Frauenschicksale

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Im Mittelpunkt des ersten Teils des Buchs ,,Margos Töchter“ von Cora Stephan steht Eleonore Seliger. Sie ist die Tochter von Margo, einer erfolgreichen Unternehmerin. Eleonore wächst in Norddeutschland auf dem platten Land auf und die Beziehung zu ihrer Mutter ist von Kindesbeinen an spannungsreich. Eleonore rebelliert, früh sucht sie den Kontakt zur Großstadt in der Nähe. Während ihrer Jugend kommt sie kurz in Kontakt zur DDR, wo sie an einem Jugendcamp teilnimmt und im Anschluss eine kurze Brieffreundschaft zu Clara, einer jungen linientreuen Funktionärin unterhält. Nach dem Abitur studiert Eleonore zunächst in Münster, später in Frankfurt. Sie kommt in Kontakt zur RAF, auch dieser Kontakt ist nur von kurzer Dauer, wird aber Jahre später noch Folgen haben. In Frankfurt lernt sie ihren Mann, einen Geschichtsprofessor kennen. Während eines Besuchs bei ihren Eltern in Norddeutschland lernen sie kurz Gisela Hegewald kennen, eine junge Frau aus der DDR, die aus unklaren Gründen bei Margo aufgetaucht ist. Über Nacht verschwindet diese Frau, lässt ihre kleine Tochter Jana aber dort. Eleonore, die selbst keine Kinder bekommen kann, adoptiert dieses Kind und wird fortan zur treusorgenden Mutter, dies wird ihr primärer Lebensinhalt, alles Rebellische aus Kinder- und Jugendtagen ist vergessen. Ihr Leben verläuft in ruhigen Bahnen bis sie eines Tages die leibliche Mutter von Jana vor der Schule ihrer Tochter wiederzuerkennen glaubt. Der Leser ist lange hin-und hergerissen zwischen den beiden Möglichkeiten, dass Eleonore sich das alles nur eingebildet hat und der Möglichkeit, dass die Vergangenheit Eleonore und Jana tatsächlich wieder einholt und bedrohen könnte.

Im zweiten Teil des Buches steht Clara alias Gisela Hegewald im Mittelpunkt. Sie ist eine junge Frau aus der DDR, von Jugend an linientreu und um für ihr Land im Westen spionieren zu können, geht sie freiwillig in der DDR ins Gefängnis, um später von der BRD freigekauft werden zu können und so eine perfekte Vita für ein unauffälliges Dasein in der BRD für die Spionageaufgabe zu haben. Eine ungewollte Schwangerschaft stellt sie vor große Herausforderungen, aber sie bringt das Kind zur Welt und kann dieses sogar mit in den Westen nehmen. Was diese Gisela Hegewald und Eleonore Seliger tatsächlich verbindet, findet Jana erst Jahre nach dem Tod beider heraus.

Die Charaktere in diesem Buch sind fiktiv, aber es könnte ähnliche Lebensläufe und Sichtweisen gegeben haben. Für mich waren neue Aspekte und mögliche Sichtweiten auf die innerdeutsche Geschichte und auf das Leben in Ost und West enthalten. Es gibt dabei keine Gewinner und Verlierer, die Sichtweisen von Ost und West werden neutral geschildert, beide Frauen suchen ihr Glück auf ihre Weisen, machen Fehler, irren sich. Die allgemeine deutsche Geschichte und ihre Ereignisse wie in Zeiten des Deutschen Herbsts und des Mauerfalls werden gut mit den persönlichen Schicksalen der beiden Frauen verbunden. Das Buch hat mal etwas von einem Geschichtsbuch, mal etwas von einem spannenden Krimi.

Erst nach der Lektüre erfuhr ich, dass es einen Band davor gibt: ,,Ab heute heiße ich Margo“. Man kann ,,Margos Töchter“ jedoch auch gut ohne den ersten Band zu kennen lesen und verstehen. Ob ich den ersten Band noch lese, weiß ich noch nicht, Margo wird in Margos Töchter nicht sonderlich sympathisch dargestellt und ist mir nicht gerade ans Herz gewachsen. Was den Schreibstil von Cora Stephan angeht, so denke ich aber, dass auch der erste Band sich auf jeden Fall zu lesen lohnen würde. Sie verbindet in ihren Büchern Geschichtswissen mit der Schilderung spannender Ereignisse rund um facettenreiche Charaktere.