Deutschlands Teilung ist vollzogen

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Der zweite Band um Margo und der durch eine Mauer entzweite Verbindung mit ihrer Vergangenheit schildert deutsch-deutsche Geschichte aus dem Blickwinkel ihrer Enkeltochter Jana. Sie bekam Akteneinsicht bei der Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Dort will sie mehr über den tragischen Unfalltod ihrer Mutter Leonore erfahren. Rückblicke ermöglichen den Hergang der Geschichte mit Beteiligung von Leonore und Clara. Sie weisen ganz nebenbei auf die Zusammenhänge des Deutschen Herbst mit seinem Terror hin und wie durchlässig der eiserne Vorhang tatsächlich war.

Jana Seliger wurde zwar in der Deutschen Demokratischen Republik geboren, wuchs aber im Westen auf. Sie entdeckt, dass nicht Leonore ihre leibliche Mutter ist, sondern deren Freundin aus einem Jugendcamp Clara. Ihr Leben wäre also ganz anders verlaufen, wenn die vermeintliche Republikflüchtige das Kleinkind nicht bei Leonore gelassen hätte. Aus dieser Perspektive verfolgen wir die Ereignisse der beiden politisch so unterschiedlichen Staaten. Es geht um Leonore, die als Tochter eines Unternehmers den Wirtschaftsaufschwung genießen konnte und um die linientreue Funktionärin Clara, die in der sozialistischen Gesinnung unterrichtet wurde. Sie ist von der „großen Sache“ überzeugt und untergräbt in ihrer Mission den Klassenfeind, wo sie nur kann.

Cora Stephan gelingt es im zweiten Roman um das geteilte Deutschland, die Zeit zwischen Wirtschaftsaufschwung und Gegenwart lebendig werden zu lassen. In den 60-er Jahren war in der Bundesrepublik Deutschland ein Aufatmen spürbar. Unternehmen wie das erwähnte Maxdata sahen zuversichtlich in die Zukunft. Allerdings war die neu gezogene Mauer, die die Deutsche Demokratische Republik deutlich von ihren deutschen Nachbarn trennte, allgegenwärtig. Diese knapp 40 Jahre andauernde Situation und den damit verbundenen Lebensweisen wird am Beispiel der Familie Seliger und ihren Nachkommen geschildert. Die nüchtern gehaltenen Figuren sind punktgenau platziert, um die Ereignisse beim Lesen mitzuerleben. Sie agieren glaubhaft und kombinieren neuere Erkenntnisse über die RAF-Anschläge mit der fiktiven Handlung.

Das Buch erzählt zeitgenössische Geschichte, die es wert ist, immer wieder in Erinnerung gerufen zu werden. Der kalte Krieg und der innerdeutsche Terror bekommen keine große Bühne, wirken aber als erklärende Kulisse. Vielmehr geht es um das Leben der Einzelnen und deren Möglichkeiten, ihre Wünsche und Hoffnungen zu realisieren. Das Schicksal der Familie war in dieser Zeit nicht außergewöhnlich. Es verdeutlicht die Unterschiede vom Entwicklungspotential von Staat und Gesellschaft. Der innerdeutsche Geschichtsunterricht bekommt von mir eine unbedingte Leseempfehlung.