‚Das, was ich mir am meisten wünsche, ist, dass du in deinen letzten Sekunden nicht an mich gedacht hast

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sabatayn76 Avatar

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‚Das, was ich mir am meisten wünsche, ist, dass du in deinen letzten Sekunden nicht an mich gedacht hast, nicht gedacht hast, dass ich da sein müsste [...].‘ (Seite 44)

Paulas zehnjähriger Bruder Tim ist im Meer ertrunken. Paula kämpft mit Gefühlen von Trauer und Traurigkeit, fühlt sich schuldig, und danach kommt eine Zeit der großen Leere, des Gefühls der Gefühllosigkeit. Auch eine Psychotherapie hilft ihr nicht, wieder aus der Depression aufzutauchen.

Als sie nachts Tims Grab besucht, trifft sie auf den 83-jährigen Helmut, der gerade die Urne seiner Ex-Frau und Freundin Helga ausbuddelt.

Gemeinsam machen sich die beiden ungleichen Menschen schließlich auf den Weg in die Berge. Helmut möchte Helgas Asche dorthin bringen, und für Paula bewirkt die Reise, dass sie langsam den Weg aus ihrer Depression findet.

Ich war sehr gespannt auf den Debütroman von Jasmin Schreiber, denn als Psychologin ist mir das Thema Depression sehr geläufig, und ich habe (wie die meisten Menschen ab einem gewissen Alter) eigene tragische Erfahrungen mit Tod und Sterben gemacht.

Tatsächlich hat mir der Einstieg ins Buch ganz gut gefallen, obwohl ich einige Phrasen allzu pathetisch und andere zu flapsig fand. Nichtsdestotrotz habe ich weitergelesen, denn die Idee, den Weg aus der Depression mit dem Auftauchen aus dem Marianengraben zu vergleichen, die Kapitelüberschriften mit der jeweiligen Meerestiefe zu versehen und immer wieder Bezug auf die Tiefsee und Meeresbewohner zu nehmen, hat mich neugierig gemacht.

Bald empfand ich den Roman allerdings als zu kindlich erzählt und eher naiv, die Schilderungen waren bemüht lustig und für mein Empfinden und meinen Humor zu slapstickartig, und die Beschreibungen der Trauerreaktion, der Gedanken und Gefühle wirkten auf mich banal. Besonders gestört hat mich, dass hier (ganz im Widerspruch zum gelungenen ‚Show, don’t tell‘) alles genau gesagt und wenig gezeigt wird. Meiner Meinung nach ist das der Hauptgrund dafür, dass ich emotional überhaupt nicht mitschwingen konnte und mich die Geschichte enttäuscht und kalt gelassen hat, obwohl die Themen Sterben und Tod eine große persönliche Relevanz für mich haben und ich bei Büchern sehr schnell weine und berührt bin.

‚Du bist fort, aber du hast mich auf dieser Welt zurückgelassen, als wäre ich der Durchschlag und du das Original. Du hast mich geprägt, deinen Abdruck hinterlassen und ist es nicht für immer meine Aufgabe, diesen in die Welt hinauszutragen?‘ (Seite 209)