Ein witziger, lebensbejahender Roadtrip

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thrilltastisch Avatar

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Durch die wunderschöne Aufmachung von 'Marianengraben' lies ich mich dazu überreden, mal zu einem Buch zu greifen, dass die Thematik des Trauerns behandelt. Normalerweise vermeide ich das eher, da ich fürchte, dass alte Wunden aufbrechen könnten und mir die Lektüre mehr schadet als mich zu bereichern. Mit dem Debütroman von Jasmin Schreiber habe ich den wohl bestmöglichen Griff gemacht.
Paula verlor ihren kleinen Bruder Tim durch einen Badeunfall und kämpft seitdem mit Depressionen. Ihr Biologie-Studium liegt auf Eis und trotz therapeutischer Hilfe findet sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr zurück ins Leben. Auf dem Friedhof lernt sie Helmut kennen, einen alten Herren, der ebenfalls einen Verlust erlitten hat. Durch eine Verkettung von aberwitzigen Umständen geraten sie mehr oder weniger freiwillig aneinander und machen einen Roadtripp nach Südtirol.
Die Protagonistin Paula sprach oft mit ihrem deutlich jüngeren Bruder über das Meer, da er davon begeistert war und eine kindliche Faszination für alles aufbrachte, dass seine ältere Schwester als Biologin über die Natur weiß. Die rührende Beziehung der beiden wird immer wieder in herzzerreißenden Rückblicken deutlich. Paula ist eine sympathische, bescheidene Figur, der ich jedes Wort und jeden Gedankengang abgenommen habe.
Sie gibt ein sehr unterhaltsames Paar mit dem etwas mürrischen Helmut ab. Er hat sich mit seiner derben Ehrlichkeit und seinem schrulligen Altmänner-Charme von Beginn an in mein Herz geschlichen. Die beiden Charaktere ergänzen sich in ihrer Unterschiedlichkeit wahnsinnig gut, wodurch man im Laufe der Geschichte aus zwei entgegengesetzten Perspektiven etwas über das Leben und den Umgang mit seiner Endlichkeit lernt.
Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Das wird spätestens im Nachwort deutlich, man merkt es aber das ganze Buch hindurch. Die Figuren sind authentisch und das gesamte Werk von der Aufmachung bis zum kleinsten Detail des Inhalts ist einfach eine runde Sache. Der Marianengraben ist ein absolut treffendes Bild, das immer wieder aufgegriffen wird.
Und ja, wenn man selbst schon einen Verlust erlitten hat, fühlt man sich an mancher Stelle zurückgeworfen in das tiefe Loch, das einen einzusaugen droht, wenn man trauert. Doch das Buch schubst nicht nur, es reicht dir die Hand, bringt dich zum Lachen und entlässt dich mit einem guten Gefühl. 'Marianengraben' ist das erste Buch, bei dem ich weinte (2x), aber es ist wundervoll und witzig und lebensbejahend. Für mich ist es ein Highlight, dass mein Regal niemals verlassen wird und ich wirklich jedem von euch ans Herz legen möchte. Wählt den Zeitpunkt weise, aber lest dieses Buch.