Das Geheimnis um den schwarzen Schmetterling

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Durch Zufall lernt der junge Óscar im verwunschenen Villenviertel von Barcelona das Mädchen Marina kennen. Zu Beginn gibt sich Marina, wie es sich für die Frauenfiguren Zafóns gehört, noch unnahbar und geheimnisvoll. Nach und nach erfährt Óscar doch immer mehr über das Mädchen, das allein mit ihrem Vater in einer verfallenen Villa lebt. Als die beiden eines Tages einer seltsamen, in schwarz gekleideten Frau auf dem Friedhof folgen, werden sie, ohne es zunächst zu ahnen, in einen Fall hineingezogen, der sich vor vielen Jahren in einer Fabrik in Barcelona ereignete. Und schließlich muss Óscar nicht nur um Marinas Liebe, sondern auch um sein Leben kämpfen.

Zafóns neu herausgegebener Roman „Marina“ gehört eigentlich zu seinen früheren Werken. Angesiedelt zwischen seinen Jugendbüchern und seinem großen Erfolg „Der Schatten des Windes“ entführt uns der Autor zum ersten Mal in sein Barcelona, ein Barcelona mit seltsamen Gestalten, die in den Schatten hausen, aber auch mit Menschen, die ein Licht in die düstere Handlung bringen. Schon jetzt ist der Schreibstil Zafóns und die Art, die Geschichte zu gestalten schon deutlich als die seine zu erkennen. Auch wenn er sprachlich noch nicht die Genialität und Schönheit von „Der Schatten des Windes“ erreicht hat, gibt es auch in diesem Roman eine Vielzahl wunderbarer Zitate, die man immer und immer wieder lesen möchte.

Die Hauptfiguren, zumindest Òscar und Marinas Vater sind dem Leser sofort sympathisch. Man leidet mit dem Jungen, der den großen Wunsch hat, einmal Architekt zu werden und der in Marina und ihrem Vater eine neue Familie findet. Man hofft, seine Liebe zu Marina möge sich endlich erfüllen. Ebenso ist es mit Marinas Vater, dem Künstler, der seit dem Tod seiner geliebten Frau nie mehr gemalt hat und der in seiner eigenen Welt zu leben scheint. Auch ihm wünscht man unweigerlich, dass er seinen Weg zurück ins Leben finden wird. Mit diesen beiden Figuren hat Zafón 2 sehr starke Charaktere geschaffen, die eigentlich nur noch von Kafka, dem eigensinnigen Kater übertroffen werden können.

Doch leider gibt es doch auch einige wenige Punkte an dem Roman zu kritisieren: viele Elemente der Handlung sind nicht gerade neu. Der Schüler Óscar erinnert stark an die Jungengestalten von Herman Hesse. Noch deutlicher sind jedoch die Anleihen an Mary Shelleys „Frankenstein“. Diese beginnen bei der Namensgebung (der Arzt im Roman trägt den Namen Shelley), reichen über den Gedanken, neues Leben aus Leichen zu schaffen und der Frage danach, ob sich der Mensch als Schöpfer neuen Lebens Gott gleichstellen darf bis hin zu einer wilden Verfolgungsjagd. Vielleicht hätte der Autor an manchen Stellen der Handlung etwas mehr auf dem Boden der Tatsachen bleiben und etwas weniger Allgemeinplätze verwenden sollen.

Dennoch ist „Marina“ ein unterhaltsamer, stets spannender Roman mit sympathischen Charakteren und einem wunderschönen Barcelona, das Lust auf einen spontanen Städtetrip macht.