Oscar und der schwarze Schmetterling

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karschtl Avatar

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Mal wieder ein wundervoller Roman von Zafon, laut des kleinen Einführungstextes zu Beginn des Buches ist es auch sein persönliches Lieblingswerk. Im Original ist es bereits vor einigen Jahren erschienen, auf deutsch nun erst nach dem großen Erfolg von "Schatten des Windes" und "Das Spiel des Engels".

Ich persönlich fand "Schatten des Windes" besser, was aber nicht automatisch heißt das mir "Marina" nicht gefiel. Ganz im Gegenteil. Das ist quasi bewerten auf hohem Niveau.

Der Anfang der Geschichte ließ mich immer wieder an 2 andere Werke bzw. Figuren aus diesen denken: einerseits an Jonathan Trotz aus dem "Fliegenden Klassenzimmer", ebenfalls Internatsschüler der selbst an Weihnachten nicht zu seiner Familie reist und außerhalb der Internatsmauern eine Ersatzfamilie sucht bzw. findet. Und andererseits an Pip aus "Große Erwartungen", der auf dem Streifzug durch den wildernden Garten einer verwahrlosten Villa auf ein wunderhübsches Mädchen trifft, in das er sich sofort rettungslos verliebt.

Überraschend fand ich, wie schnell Marina und vor allem auch ihr Vater den unbekannten Eindringling bei sich 'aufnehmen'. Sie werden sofort Freunde, ohne sich lange zu kennen. Aber vielleicht sind beide einfach nur froh, endlich mal wieder mehr Kontakt zu Personen außerhalb ihres Dunstkreises zu haben. Marina gesteht ja später selbst, dass sie sich unbedingt einen Freund gewünscht hatte und ihm daher auch ihr großes Geheimnis verschwieg um ihn nicht gleich wieder zu verscheuchen.

Relativ schnell kommt dann der Einstieg in die geheimnisvolle Geschichte, der Oscar und Marina fortan auf der Spur sind. Nach und nach treffen sie auf verschiedene Personen, die jede ein paar Puzzleteile zum großen Ganzen beitragen. Im Zuge dessen werden auch die Lebensgeschichten dieser Personen präsentiert. "Marina" ist also nicht nur die Geschichte von Oscar, wie er am Anfang des Buches selbst schreibt, sondern eigentlich auch die vieler anderer Personen, die alle miteinander in Verbindung stehen.
Ich glaube ich habe dann immer auf die finale Verbindung mindestens einer Person zu Oscar und/oder Marina gewartet, die schlussendlich aber gar nicht kam. Irgendwie hängt man damit als Leser am Ende ein bißchen in der Luft. Das ist aber im Grunde dann auch wieder gar nicht so schlimm.
Etwas mehr gestört hat mich die Tatsache, dass Marinas 'Geheimnis' und ihr Schicksal am Ende dann gar nichts mehr mit dem mysteriösen Rätsel zu tun hat, bzw. auch keine Folge der Suche nach der Wahrheit von Oscar und Marina ist. Das alles steht in keinem Zusammenhang zueinander, und lässt mich als Leser etwas unbefriedigt zurück. Es wirkt unrund irgendwie.

Das war aber eigentlich schon fast alles, was ich an negativen Dingen zu vermelden habe. Auf der positiven Seite hingegen stehen Dinge wie Spannung, geweckte Neugierde, Ideenreichtum und vor allem die Sprachgewalt, mit der Zafon von Oscar und Marina und ihren Abenteuern berichtet. Die sprachlichen Bilder, die er verwendet, sind auch in der Übersetzung noch immer wunderschön (und an dieser Stelle ein großes Lob an den Übersetzer!) und dadurch ist es eine Freude, Seite um Seite zu lesen, zu verschlingen geradezu.

Auch wenn es mich angesichts der Dinge, die Oscar und Marina nach und nach erfahren, bzw. die ihnen teilweise auch widerfahren, manchmal gegruselt hat und an die Geschichte von Frankenstein und sein Monster denken ließ, so war ich doch immer auch fasziniert und konnte das Buch nur schwer weglegen. Und genau so muss ein guter Roman auch sein!