"Das Morgen geht aus dem Gestern hervor"

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klusi Avatar

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John le Carré beschreibt seine Charaktere so genau und ausführlich, dass man beim Lesen den Eindruck hat, als würde man die Protagonisten persönlich kennen. Die verschiedenen Personen werden jeweils aus unterschiedlichen Sichtwinkeln betrachtet, und man wird immer wieder hin- und her gerissen zwischen Mitleid und Misstrauen. Es stellt sich die Frage, ist der junge gesuchte Muslim kriminell und gehörte wirklich einer militanten Organisation an oder ist er ein zu Unrecht Verfolgter, dessen einziges Verbrechen ist, sich illegal in Deutschland aufzuhalten? Als „Operation Felix“ gerät Issa in den Fokus der Ermittlungen und mit ihm die Menschen, die ihm helfen und Obdach gewähren.

„Marionetten“ ist ein sehr passender Titel für diesen Roman, denn Issa und seine Helfer sind Darsteller in einem rücksichtslosen und grausamen Spiel. Die Fäden werden von allen möglichen Organisationen, Geheimdiensten und vom Verfassungsschutz gezogen. Jeder will immer bestens informiert sein, lässt sich aber selbst nicht in die Karten schauen. Vertrauen wird zum Fremdwort in diesem Netz aus Ermittlungen, Spionage, Korruption und Verrat. Erschreckend aber durchaus nicht erstaunlich ist die große Rolle, die auch hier das Geld spielt.

Ich habe mir überlegt, ob es bei realen Ermittlungen und Verfahren dieser Art annähernd ähnlich zugeht. Wenn dem so wäre, fände ich das sehr erschreckend. Da wird gefeilscht wie auf dem Jahrmarkt. Für jede Kooperation gibt es Zugeständnisse im Angebotspaket. Und am Ende ist doch alles anders….

Der Roman hat mich beeindruckt und gefesselt, und auch nachträglich beschäftigt mich die Geschichte noch sehr stark. Das ziemlich offene Ende lädt zum Nachdenken ein.