John le Carré: MARIONETTEN

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In seinem neuen Roman „Marionetten“ spielt John Le Carré mit den Irrungen und Wirrungen im Kampf gegen den Terror nach 9/11.
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Inhalt:
Zu Beginn werden die drei Handlungsstränge vorgestellt, die sich schon bald allesamt um die Person des zwielichtigen Issa drehen. Da wäre die rebellische Anwältin der gemeinnützigen Einrichtung für Flüchtlinge „Fluchthafen Hamburg“ Annabel Richter, die der elterlichen, gewissenlosen Geldmacherei entfliehen und mit ihrer juristischen Tätigkeit lieber Menschen retten, als Geld scheffeln möchte. Da wäre der etwas untypische Bankier in zweiter Generation Tommy Brue, der von den zweifelhaften finanziellen Machenschaften seines Vaters verfolgt wird und auf dem Sprung ist, sich von seiner Bank zu trennen und sich auf die wahren Werte im Leben zu besinnen. Und da wären diverse geheime politische Organisationen, die im Kampf gegen den Terror geradezu paranoid nach potentiellen Terroristen suchen und sich mit ihren internen Machtkämpfen und Intrigen permanent gegenseitig im Weg stehen.
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Alle Handlungsstränge drehen sich um den illegal eingereisten Issa, der zunächst bei der türkischen Familie Oktay unterkommt, schon bald jedoch von Annabel Richter unter ihre Fittiche genommen wird, um das Einbürgerungsverfahren der Oktays nicht zu gefährden. Während nun die Anwältin mit Hilfe des Bankiers versucht, Issa so lange versteckt zu halten, bis sein Aufenthalt in Deutschland legalisiert wird, laufen diverse deutsche, britische und amerikanische Geheimdienste zur Höchstform auf, um dem illegal eingereisten Muslimen terroristische Absichten nachzuweisen.
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Den Höhepunkt erreicht die Handlung, als schließlich nahezu alle Figuren, die der Politthriller zu bieten hat, in einer Art „Showdown“ zeitgleich auf den Plan treten - und ganz knapp vor dem Erreichen ihrer Ziele feststellen, dass sie in diesem politischen Wirrwarr doch nur Marionetten einer noch höheren Macht waren.
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Meine Meinung:
John Le Carré hat mit seinem Roman „Marionetten“ ein Werk abgeliefert, das gut recherchiert und strukturiert ist. Der Leser wird übersichtlich und nachvollziehbar an die später sehr hektische und verwobene Handlung herangeführt. Besonders überzeugt hat mich die Darstellung der einzelnen Personen, insbesondere von Tommy Brue und Annabel Richter, mit der es der Autor schafft, die Motive und Beweggründe der Protagonisten glaubwürdig und nachvollziehbar zu etablieren. Damit hat es Carré gelungen, mich ganz und gar in die Story hinein zu ziehen, so dass ich das Buch in drei Etappen durchgelesen habe.
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Als einziger Wermutstropfen bleibt die zentrale Figur von „Marionetten“: der illegal eingereiste Tschetschene Issa, mit dem ich bis zum Schluss nicht richtig warm geworden bin. Meine Meinung von ihm schwankte zwischen „Unsympath“ und „arme Socke“, wirkliche Sympathie konnte ich für den Charakter jedoch nicht aufbringen, stellenweise war ich von seinen Ausführungen regelrecht genervt.
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Alles in allem war „Marionetten“ eine erfreuliche Überraschung, ein Roman, den ich gerne und schnell gelesen habe, und der mir nicht zuletzt mit Carrés ansprechend anspruchsvollem Schreibstil Freude bereitet hat.
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4 von 5 Sternen.