Im Prisma gefangen

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Dieser Roman verwebt die Leben zweier Frauen aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Britta Stoever zieht ihrem Mann und seinem Eigenheimtraum zuliebe mit ihren zwei Kindern in die Marschlande. Hier erfährt sie von Abelke Bleken, die im 16. Jahrhundert nach dem Tod ihrer Eltern eben dort allein einen Hof bewirtschaftete. Und nun werden die Biografieschablonen dieser beiden Frauen übereinander gelegt, das große Rad der Zeit gedreht, um am Ende schmerzhaft erkennen zu müssen, dass sich im Vergleich gar nicht viel im Leben einer Frau verändert hat. Die Autorin hat mich mit vielen Aspekten in den Bann gezogen. Als würde man in ein Prisma schauen, in dem alle dasselbe erleben und gleich gleicher bedeutet bevor man wieder auf sich selbst zurückgeworfen wird. Da es einer Gruppe mit ähnlichen Merkmalen aber nicht auffallen darf, dass sie durch Solidarität Stärke erhält, die die herrschende Autorität unterwandern könnte, greifen heute wie damals gängige Mechanismen. Frau Kubsova zeichnet dies nicht nur in der Theorie anhand von Machtmodellen, sondern setzt im Kleinen, im Alltag einer Frau an. Wie viel es einer Frau bedeutet, wahrhaftes Verständnis und Mitgefühl von einer anderen Frau zu erhalten, muss ich den Wenigsten hier erklären. Die bedeutendsten Ratschläge, die mich durch mein Leben tragen, habe ich von Frauen erhalten, die reich an Erfahrung, stark genug für Widerstand und zärtlich genug für Zuspruch waren. Somit wurde mit diesem Buch wieder ein Schritt in Richtung female empowerment gegangen, der bewusst macht, dass kluge, selbstbewusste Frauen keine Erfindung der heutigen Zeit sind, sondern es sie seit Anbeginn der Zeit gibt und wir es immer noch nicht geschafft haben, daraus Kapital zu schlagen. Aus irgendeinem Grund hatte ich beim Lesen dauernd den Film Lux Aeterna von Gaspar Noé im Kopf, der meiner Interpretation nach von der Leidensfähigkeit der Frau zu allen Zeiten handelt. Wer jetzt erschrocken darüber nachdenkt, ob das Buch wirklich etwas für ihn ist: Ja, unbedingt! Es ist neben allem historisch interessant, unterhaltsam und eindringlich. Das Marschland wird poetisch beschrieben, sodass man sich selbst bald in Wind und Schlamm wiederfindet und besonders die Verwendung des Marschländer Platt hat mein Herz berührt. Ein sensationelles Buch und eine klare Leseempfehlung.